Vergesslich? Sie haben ein Gen
Schusselig. Eine Genvariante führt dazu, dass man im Alltag immer wieder bei banalen Dingen auf die Probe gestellt wird. Doch es gibt Tricks, wie man sich etwas merkt.
BONN, WIEN (SN). Einkaufszettel wieder einmal daheim liegen lassen? Man geht ins andere Zimmer und weiß nicht mehr, was man dort eigentlich wollte? Der Schlüssel ist unauffindbar? Der Fall scheint für die Forscher der Universität in Bonn klar zu sein: Sie haben das Schussel-Gen. Und es scheint weitverbreitet zu sein.
Die Psychologen konnten erstmals einen Zusammenhang zwischen einem Gen mit der Bezeichnung DRD2 und alltäglichen Aussetzern nachweisen. Träger dieser Variante erlebten deutlich häufiger unangenehme Momente, was mit einer prinzipiellen mangelnden Aufmerksamkeit zu tun habe, sagen die Forscher.
Beim Telefonieren fällt einem der Name des Gesprächspartners nicht mehr ein. „Solche kurzzeitigen Aussetzer sind weitverbreitet, doch bei manchen Menschen treten sie besonders häufig auf“, sagt Martin Reuter von der Abteilung Differenzielle und Biologische Psychologie der Universität Bonn. Sie könnten dann zur Gefahr werden, wenn zum Beispiel an der Kreuzung ein Stoppschild übersehen werde. Auch im Beruf könne mangelnde Aufmerksamkeit problematisch sein, etwa wenn durch Schusseligkeit vergessen werde, eine wichtige Computerdatei abzuspeichern.
Die Forscher entdecken bei ihren Untersuchungen an 500 Männern und Frauen, die eine Speichelprobe für den Gentest abgegeben hatten, eine familiäre Häufung der Fehleranfälligkeit. Der Schluss lag nahe, dass diese Aussetzer offenbar genetische Einflüsse haben müssen. Jeder Mensch ist Träger des DRD2-Gens. Es liegt in zwei Varianten vor. Die eine Variante verfügt an einer Stelle über den chemischen Genbaustein Cytosin. Bei der anderen Variante kommt der Baustein Thymin vor. Laut Analyse der Proben verfügte nur ein Viertel der Probanden ausschließlich über das DRD2-Gen mit Cytosin, drei Viertel gehören einem Genotyp mit dem Baustein Thymin an. Mithilfe eines Fragebogens sollten die Probanden dann selbst einschätzen, wie häufig es bei ihnen zu bestimmten Schusseligkeiten kommt: Wie oft werden Namen vergessen, oder wie häufig wird der Schlüssel verlegt? Außerdem wurden bestimmte Faktoren zur Impulsivität abgefragt: Wie leicht lassen sich die Testpersonen von ihren eigentlichen Aufgaben ablenken? Wie lang können sie sich konzentrieren?
Mit statistischen Methoden prüften die Wissenschafter, ob die mit den Fragebögen erfassten Schusseligkeitssymptome einer der beiden Genvarianten von DRD2 zuzuordnen sind. Die Ergebnisse zeigen, dass solche Funktionen wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis bei der Thymin-Genvariante geringer ausgeprägt sind als beim Cytosin-Typ. Das heißt umgekehrt: Menschen mit der Thymin-Variante neigten eher zur Schusseligkeit, als jene, die mit dem Cytosin-Baustein gesegnet waren. Die Probanden mit der Thymin-DRD2-Variante waren nach eigenen Berichten häufiger Opfer ihrer eigenen Vergesslichkeit und berichteten von Aufmerksamkeitsdefiziten. Ist die Untersuchung repräsentativ, bedeutet das, dass die meisten Menschen das Schussel-Gen tragen.
Das Schussel-Gen zu haben muss aber nicht zwangsläufig dazu führen, dass man zeitlebens ein Schussel bleibt. Es gibt laut Bonner Psychologen eine Reihe von Tricks, wie man diese Veranlagung ausbalancieren kann. Man kann sichMerkzettel schreiben oder den Haustürschlüssel immer an einen bestimmten Platz aufbewahren, sodass man ihn leichter wiederfindet. Hilfreich ist es auch, sich Dinge in Zusammenhang mit einem Bild oder einem Geruch einzuprägen. In einer Kombination erinnert sich das Gehirn später leichter. Auch Konzentration kann man üben. Untersuchungen zeigten, dass der Mensch bei einem mittleren Anspannungsniveau die höchste Leistungsfähigkeit zeigt. Das heißt, man sollte weder zu locker drauf sein noch zu angespannt. Dinge, die einen immer wieder ablenken, wie Telefongespräche in einem Büro, kann man durch Autosuggestion (Zum Beispiel: „Die Stimmen sind da, aber sie stören mich nicht“) mit der Zeit ausblenden.