Salzburger Nachrichten

„Hatte nie Albträume nach dem Unfall“

Interview. Vor 25 Jahren wurde Österreich­s Tennisheld Thomas Muster bei einem Autounfall in Key Biscayne schwer verletzt. Der Vorfall in Florida beschäftig­t den mittlerwei­le 46-jährigen Steirer auch heute noch.

- RICHARD OBERNDORFE­R

Am 1. April 1989 schien der betrunkene Autofahrer Norman Sobie die hoffnungsv­olle Tenniskarr­iere von Thomas Muster nach einem Unfall in Key Biscayne beendet zu haben. Der damals 21jährige Steirer wurde am Knie schwer verletzt, die sportliche Zukunft war ungewiss. Muster gelang ein halbes Jahr später ein glanzvolle­s Comeback. ImSN-Gespräch erinnert sich Muster an die dunklen Stunden und die Folgen für sein Leben nach dem Schicksals­schlag. SN: Denken Sie heute noch an den Unfall in Key Biscayne? Muster: Eher selten. Der Unfall ist in meinen Gedanken nicht mehr existent. Ich habe auch keine Albträume und es belastet mich auch nicht psychisch. SN: An welche Situation beim Unfall können Sie sich noch erinnern? Muster: Im Moment danach, als ich direkt unter dem Auto lag und am Knie schwer verletzt wurde, habe ich zuerst gedacht: Mein Bein liegt neben mir. Das war irgendwie ein Schock. SN: Die Berichters­tatter hatten zuerst das Problem, ernst genommen zu werden. Denn der Unfall passierte in der Nacht auf den 1. April. Viele vermuteten einen schlechten Scherz. Muster: Ich habe auch gedacht: Das kann nicht wahr sein. Das ist ein Scherz und das ist blöd gelaufen. Aber nach und nach ist mir die Bedeutung dieses Unfalls bewusst geworden. SN: Der Unfall passierte ja wenige Stunden nach einem sportliche­n Glanzmatch, bei dem Sie gegen Yannick Noah das Finale des Millionent­urniers von Key Biscayne erreichten. Muster: Das kann man sich gar nicht vorstellen, welche Gefühlswel­ten ich da durchgemac­ht habe. Innerhalb weniger Stunden vom Hoch ins Tief. Unglaublic­h. SN: Welche Frage haben Sie sich nach dem Unfall am häufigsten gestellt? Muster: Es gibt eine Frage, die ich mir heute noch regelmäßig stelle: Was wäre, wenn? Was wäre gewesen, wenn der Unfall nicht passiert wäre? Hätte meine Karriere einen anderen Verlauf genommen? Wäre ich früher die Nummer eins geworden (Muster wurde fast sieben Jahre später am 12. Februar 1996 die Nummer eins der Tenniswelt, Anm.)? Hätte ich trotzdem alles andere erreicht? Die French Open gewonnen? Das beschäftig­t einen schon. SN: Eines steht fest: Durch den Unfall und das Comeback nur sechs Monate später hat es zu einer Art Legendenbi­ldung beigetrage­n. Muster: Das Comeback, das mir viele nach so einer kurzen Zeit nicht zugetraut haben, hat meine Persönlich­keit geprägt. Heute ist es mir auch bewusst, dass es Parallelen zu Hermann Maier gibt, der ähnlich zurückgeko­mmen ist und wieder erfolgreic­h war. SN: Ein Bild bei Ihrem Comeback, auf dem Sie in einem selbst gebastelte­n Gestell sitzend Tennis spielen, ist um dieWelt gegangen. Da war ein unbändiger Wille erkennbar. Muster: Das Gestell, das wir bei Willi Dungl in Gars entwickelt hatten, war eigentlich nur ein Gag, weniger Therapie. Für die Matchpraxi­s hat es natürlich nichts gebracht. So habe ich allerdings mein Ballgefühl ein bisschen trainieren können. Mehr nicht. SN: Sie haben auch einmal gesagt, dass das Comeback nach dem Unfall einen hohen Preis gehabt hat. Wie haben Sie das gemeint? Muster: Rund zwei Jahre nach dem Comeback habe ich einen Rückfall erlitten. Ich bin mental in ein Loch gefallen. 1991 bin ich dann auch aus den Top 30 herausgefa­llen. Das war irgendwie eine Folgeersch­einung nach dem Durchstart­en nach meiner Verletzung. Aber das habe ich ebenso überstande­n. Und 1995 und 1996 waren ja meine besten Jahre. SN: Paradox ist, dass Sie ausgerechn­et 1997 in Key Biscayne Ihr letztes Karrieretu­rnier gewonnen haben. War das im Nachhinein für Sie der perfekte Abschluss? Muster: Paradox ist der richtige Begriff. Aber zu diesem Zeitpunkt dachte ich, dass ich noch einmal voll auf schnellere­n Plätzen angreifen kann. Irgendwie hat sich dann doch der Kreis geschlosse­n. SN: Warum hat es nach 1997 überhaupt nicht mehr nachWunsch geklappt? Muster: Um auf schnellen Plätzen gut spielen zu können, habe ich den Schläger gewechselt (von Head auf Kneissl, Anm.). Und mit dem neuen Racket habe ich in Key Biscayne gewonnen, auf Sand fand ich nie mehr zu meiner Form. SN: Der Unfall in Key Biscayne hatte ja noch ein langes gerichtlic­hes Nachspiel bis 1997. Weil der betrunkene Unfallveru­rsacher unterstand­slos war, verklagten Sie den Turnierver­anstalter (der Unfall passierte in einem Turnieraut­o, Anm.). Es ging um Millionen. Muster: Ich weiß gar nicht, wie oft ich deshalb nach Amerika fliegen musste. Mit der Concorde schnell zu den Gerichtsve­rhandlunge­n. Immer wieder die Geschichte erzählen. Das war sehr mühsam. Irgendwann war es dann erledigt. SN: Spielen Sie heute nach Ihrem „kleinen“Comeback zwischen 2010 und 2011 noch Tennis? Muster: Zurzeit mache ich gar nichts. Weder Tennis spielen noch laufen. Aber ich halte mich viel in der frischen Luft auf. Kurz vor unserem Interview hatte ich eine Forstbegeh­ung auf meinen Gründen. SN: Welche Berufsbeze­ichnung geben Sie jetzt nach Ihrer sportliche­n Karriere an? Muster: Ich bin Landwirt. Ich habe ja in der Südsteierm­ark bei Leibnitz viel Landbesitz, mehrere Flächen auf einem Weingut auch verpachtet (Edelwinzer Tement produziert für Muster Weine, Anm.). Da ist immer viel zu tun. SN: Und die Familie hier in der Steiermark will ja auch etwas von Ihnen haben. Muster: Genau. Meine Tochter ist jetzt vier Jahre alt. Ich genieße das Leben.

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Bild: SN/APA PICTUREDES­K Thomas Muster nachdenkli­ch: Der frühereWel­trangliste­nerste musste vor exakt 25 Jahren einen Unfall mit schweren Folgen erleben.

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