„Macht ist nur bei Männern sexy“
Bürgermeisterinnen. 119 Gemeinden, zwei Damen, 117 Männer. Warum in Salzburgs Gemeindeämtern Frauen nichts zu reden haben.
Sind sie zu schüchtern, zu nett, zu wenig ehrgeizig? Oder sind an allem die Männer schuld? In ganz Salzburg gibt es nur noch zwei Bürgermeisterinnen. Demokratieforscherin Kathrin Stainer-Hämmerle über die möglichen Ursachen. SN: Frau Professor, Bürgermeister in einer Landgemeinde zu sein grenzt oft an Selbstausbeutung. Sind Frauen einfach klüger, weil sie sich das nicht antun wollen? Stainer-Hämmerle: Ganz so würde ich es nicht sagen. Aber Politik ist einfach nicht familienfreundlich. Gerade in den Gemeinden. Vereinssitzungen und all diese informellen Netzwerke – auch der Gemeinderat: Das spielt sich alles am Abend ab. Da sind die Hindernisse für Frauen größer. Man unterstellt Frauen zudem ein geringeres Interesse an Parteipolitik. SN: Vielleicht sind weibliche Egos oft nicht groß genug, um das Rampenlicht zu suchen. Stainer-Hämmerle: Man muss mit Verallgemeinerungen immer aufpassen. Aber es kann durchaus sein, dass für viele Frauen das Prestige weniger Bedeutung hat. Politikerinnen geht es häufig eher um die Sache, sie drängen sich weniger auf Zeitungsfotos. Das ist in der Praxis ein Nachteil. SN: Also zu wenig Drang zur Macht? Stainer-Hämmerle: Es gibt durchaus machtbewusste Frauen. Aber: Macht ist nur bei Männern sexy. Bei Frauen be- wirkt sie teils, dass einer Managerin oder Politikerin dieWeiblichkeit abgesprochen wird. Außerdem stehen im Diskurs immer die „drei F“im Vordergrund: Familie, Figur, Frisur. Das ist der Unterschied. Schon Mädchen werden in der Schule so sozialisiert, dass sie gefallen wollen. Als Politiker aber muss man polarisieren.
Heißt das, etliche Frauen sind zu konfliktscheu für die Gemeindepolitik? Stainer-Hämmerle: Vielleicht ist es so, dass Politikerinnen bei gewissen Dingen empfindlicher reagieren. Etwa, wenn ihre Kinder in der Schule angesprochen werden, wenn die Familie ins Spiel kommt. Noch einmal: Man darf nicht in Stereotype abgleiten – aber manche Frauen haben da eine weniger dicke Haut. SN: In Salzburg wie anderswo gibt es fast keine Bürgermeisterinnen. Ist das denn schlimm – wären Frauen die besseren Politiker? Stainer-Hämmerle: Nein, aber Untersuchungen in Unternehmen und Organisationen zeigen: Wenn Männer und Frauen zusammen agieren, herrscht ein anderes Diskussionsklima. Und es ist schon im Interesse der repräsentativen Demokratie, dass alle Interessengruppen abgebildet werden. SN: Sind nicht auch die politischen Parteien schuld? Sie könnten Frauen einfach mehr fördern, an wählbarer Stelle platzieren und so weiter. Stainer-Hämmerle: Sicherlich. Aber hier gäbe es schon eine effektive Lösung.
SN: Ach ja? Welche denn? Stainer-Hämmerle: Na, die Frauenquote. An sie könnte die Parteienförderung gebunden werden, dann wäre sie durchsetzbar. Die Hoffnung ist, dass es dann mehr Vorbilder für potenzielle Politikerinnen gibt, dass das Ganze schließlich zum Selbstläufer wird. Beispiele dafür, dass Frauen ganz normal an der Spitze von Kommunen und anderen Körperschaften stehen, die gibt es. Etwa in Skandinavien.
SN: Brauchen wir das wirklich? Stainer-Hämmerle: Österreich ist nach wie vor ein sehr konservatives Land. Der Gedanke „Frauen können das nicht“wird zwar nicht mehr offen ausgesprochen. In den Köpfen sitzt er aber weiterhin.