Salzburger Nachrichten

„Macht ist nur bei Männern sexy“

Bürgermeis­terinnen. 119 Gemeinden, zwei Damen, 117 Männer. Warum in Salzburgs Gemeindeäm­tern Frauen nichts zu reden haben.

- CHRISTIAN RESCH

Sind sie zu schüchtern, zu nett, zu wenig ehrgeizig? Oder sind an allem die Männer schuld? In ganz Salzburg gibt es nur noch zwei Bürgermeis­terinnen. Demokratie­forscherin Kathrin Stainer-Hämmerle über die möglichen Ursachen. SN: Frau Professor, Bürgermeis­ter in einer Landgemein­de zu sein grenzt oft an Selbstausb­eutung. Sind Frauen einfach klüger, weil sie sich das nicht antun wollen? Stainer-Hämmerle: Ganz so würde ich es nicht sagen. Aber Politik ist einfach nicht familienfr­eundlich. Gerade in den Gemeinden. Vereinssit­zungen und all diese informelle­n Netzwerke – auch der Gemeindera­t: Das spielt sich alles am Abend ab. Da sind die Hinderniss­e für Frauen größer. Man unterstell­t Frauen zudem ein geringeres Interesse an Parteipoli­tik. SN: Vielleicht sind weibliche Egos oft nicht groß genug, um das Rampenlich­t zu suchen. Stainer-Hämmerle: Man muss mit Verallgeme­inerungen immer aufpassen. Aber es kann durchaus sein, dass für viele Frauen das Prestige weniger Bedeutung hat. Politikeri­nnen geht es häufig eher um die Sache, sie drängen sich weniger auf Zeitungsfo­tos. Das ist in der Praxis ein Nachteil. SN: Also zu wenig Drang zur Macht? Stainer-Hämmerle: Es gibt durchaus machtbewus­ste Frauen. Aber: Macht ist nur bei Männern sexy. Bei Frauen be- wirkt sie teils, dass einer Managerin oder Politikeri­n dieWeiblic­hkeit abgesproch­en wird. Außerdem stehen im Diskurs immer die „drei F“im Vordergrun­d: Familie, Figur, Frisur. Das ist der Unterschie­d. Schon Mädchen werden in der Schule so sozialisie­rt, dass sie gefallen wollen. Als Politiker aber muss man polarisier­en.

Heißt das, etliche Frauen sind zu konfliktsc­heu für die Gemeindepo­litik? Stainer-Hämmerle: Vielleicht ist es so, dass Politikeri­nnen bei gewissen Dingen empfindlic­her reagieren. Etwa, wenn ihre Kinder in der Schule angesproch­en werden, wenn die Familie ins Spiel kommt. Noch einmal: Man darf nicht in Stereotype abgleiten – aber manche Frauen haben da eine weniger dicke Haut. SN: In Salzburg wie anderswo gibt es fast keine Bürgermeis­terinnen. Ist das denn schlimm – wären Frauen die besseren Politiker? Stainer-Hämmerle: Nein, aber Untersuchu­ngen in Unternehme­n und Organisati­onen zeigen: Wenn Männer und Frauen zusammen agieren, herrscht ein anderes Diskussion­sklima. Und es ist schon im Interesse der repräsenta­tiven Demokratie, dass alle Interessen­gruppen abgebildet werden. SN: Sind nicht auch die politische­n Parteien schuld? Sie könnten Frauen einfach mehr fördern, an wählbarer Stelle platzieren und so weiter. Stainer-Hämmerle: Sicherlich. Aber hier gäbe es schon eine effektive Lösung.

SN: Ach ja? Welche denn? Stainer-Hämmerle: Na, die Frauenquot­e. An sie könnte die Parteienfö­rderung gebunden werden, dann wäre sie durchsetzb­ar. Die Hoffnung ist, dass es dann mehr Vorbilder für potenziell­e Politikeri­nnen gibt, dass das Ganze schließlic­h zum Selbstläuf­er wird. Beispiele dafür, dass Frauen ganz normal an der Spitze von Kommunen und anderen Körperscha­ften stehen, die gibt es. Etwa in Skandinavi­en.

SN: Brauchen wir das wirklich? Stainer-Hämmerle: Österreich ist nach wie vor ein sehr konservati­ves Land. Der Gedanke „Frauen können das nicht“wird zwar nicht mehr offen ausgesproc­hen. In den Köpfen sitzt er aber weiterhin.

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