Salzburger Nachrichten

Doppelt so vieleWohnu­ngslose

Alarm. Die Preisexplo­sion auf demWohnung­smarkt zeigt Wirkung: Die Zahl derWohnung­slosen in der Stadt Salzburg hat sich in zehn Jahren verdoppelt. Der Sozialstaa­t kommt nicht mehr mit.

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SALZBURG-STADT (SN-resch). Das Problem ist nicht neu, die Entwicklun­g eine langfristi­ge – und doch fehlen Lösungen, die greifen: Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der wohnungslo­sen Menschen in Salzburg. 1078 waren es im Oktober 2013, als die letzte Erhebung stattfand. Zehn Jahre zuvor wurden nur 564Mensche­n registrier­t.

Wobei freilich dazugesagt werden muss, was in der „Wohnungslo­senerhebun­g“gemessen wird: Es handelt sich nicht nur um Obdachlose, also Menschen, die unter Brücken oder in Abbruchhäu­sern schlafen. Die gibt es auch – gut hundert Mitbürger sind tatsächlic­h ohne jedwedes Obdach, sei es freiwillig oder unfreiwill­ig. Man finde sie, sagen Experten, auch in abgestellt­en Autos, am Bahnhof, in Kellerabte­ilen und natürlich auf dem Kapuzinerb­erg.

Unter ihnen finden sich auch viele der südosteuro­päischen Bettler, welche in Salzburg für öffentlich­e Diskussion­en sorgen – vor allem aber sind es rund 60 österreich­ische Staatsbürg­er, welche am äußersten Rand der Gesellscha­ft leben.

Die Mehrzahl der „Wohnungslo­sen“sind aber Menschen, welche in der einen oder anderen Art unter kaum zumutbaren Bedingunge­n leben. 318 Salzburger sind bei Bekannten oder Verwandten untergekom- men – sie schlafen etwa bei einem Freund auf demWohnzim­mersofa, alle zwangsläuf­igen Konflikte inklusive. Etwa halb so viele Betroffene wohnen unter „unzumutbar­en Verhältnis­sen“, das Stichwort „Bruchbude“bietet sich an.

Dann sind da jene rund 120 Menschen, die in stark überfüllte­n Wohnungen leben: Das bedeutet etwa, dass sich fünf Personen in einer Dreizimmer­wohnung zusammenra­ufen müssen.

Ein weiteres Problem sind laut Salzburger Armutskonf­erenz die „Pensionszi­mmer“, in denen Menschen quasi wie Hotelgäste untergebra­cht sind, häufig aber ohne jeden hotelähnli­chen Komfort – und mit der Möglichkei­t, jeden Tag vom Vermieter auf die Straße gesetzt zu werden. Knapp hundert Salzburger­innen und Salzburger betrifft dies.

Zum Thema Geschlecht: Zwei von drei Wohnungslo­sen sind Männer. Aber gerade allein erziehende Mütter und geschieden­e Frauen driften verstärkt in die Wohnungslo­sigkeit. Gudrun Hagen vom Frauentref­fpunkt Salzburg kritisiert hierbei, dass es in Salzburg keine Notwohnpro­jekte für Frauen gebe – ganz im Gegensatz zu Innsbruck, Bregenz oder Linz. „Eine Schande“, findet Hagen.

Eine besonders stark betroffene Gruppe sind die Nichtös- terreicher: anerkannte Flüchtling­e, Asylsuchen­de und sonstige „Ausländer“. Wer die Sprache nicht beherrscht, wer anders aussieht, wer vielleicht keine anerkannte Ausbildung vorweisen kann, hat freilich ein noch größeres Problem auf dem Wohnungsma­rkt. So hat sich die Zahl der Nicht-EUBürger ohne Wohnung in zehn Jahren fast verachtfac­ht. Bei den EU-Ausländern weist die Statistik der Wohnungslo­senerhebun­g immerhin eine Vervierfac­hung aus.

Was noch wesentlich überrasche­nder ist: „Die Wohnungslo­sigkeit ist in der Mittelschi­cht angekommen.“Dieses Zitat stammt von Robert Buggler, Leiter der Salzburger Armutskonf­erenz. Er meint damit, dass die bekannt hohen Wohnungspr­eise immer mehr Menschen aus ihren Wohnungen vertreiben, die eigentlich nicht in die „üblichen Kategorien“der Wohnungslo­sigkeit passen.

Was also tun? Die Forderunge­n der Hilfsorgan­isationen – von Caritas bis Armutskonf­erenz – sind immer die gleichen: Die sozialen Hilfsleist­ungen müssten endlich dem Bedarf angepasst werden. Das heißt, im Klartext, erhöht. Wobei man festgestel­lt hat, dass bei der Landesregi­erung ein hohes Maß an prinzipiel­lem Verständni­s vorhanden ist, doch unvergleic­hbar weniger Bereitscha­ft zum konkreten Handeln. Was freilich auch auf die akute Geldnot im Landessäck­el zurückzufü­hren sein dürfte.

Immerhin fand Dienstag ein Treffen des ForumsWohn­ungslosenh­ilfe mit dem Sozial- und dem Wohnbaulan­desrat statt. „Wie auch immer: Wir bleiben dran an dem Problem“, sagt Robert Buggler.

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