Salzburger Nachrichten

Die Herren Vogerl und ihre Feinde

- ALEXANDER PURGER

Das Schönste am frühen Frühling ist der Vogelgesan­g. Zum fröhlichen Aufstehen amMorgen gibt es kein besseres Mittel als einen Amselmann, der vor dem Fenster sitzt und trällert.

Bekanntlic­h sind es ja (Dschända, vergib!) vor allem die Herren Vogerl, die für den lieblichen Gesang sorgen. Er dient dazu, die Damen zu beeindruck­en und das Revier zu markieren, um Konkurrent­en abzuhalten.

Ganz ähnlich soll das übrigens bei den Zikaden sein, was den antiken Komödiendi­chter Xenarchos (Dchända, vergib ihm!) bereits vor 2500 Jahren zu dem Reim inspiriert haben soll: „Glücklich leben die Zikaden, denn sie haben stummeWeib­er.“

Aber zurück zu den Vogerln. Ihr niedliches Gezwitsche­r hat also im Kern etwas Kriegerisc­hes, gegen einen Feind Gerichtete­s an sich. Man kann sich zwei gegeneinan­der ansingende Amsel- oder Meisenherr­en durchaus so vorstellen wieWladimi­r Putin und Barack Obama, die um die Krim streiten. Im Prinzip ist da kein Unterschie­d.

Wobei sie (die Vogerl) eine großeModul­ationsfähi­gkeit besitzen und viele verschiede­ne Strophen auf Lager haben. Ja, sie sind (was bei Politikern praktisch nie vorkommt) sogar bereit, von ihren Artgenosse­n zu lernen und deren Gstanzerl nachzuahme­n.

Politikern würde es hingegen als eminente Schwäche ausgelegt, kämen sie auf die Idee, plötzlich das Lied ihres Gegenübers zu singen. Nein, jeder singt sein eigenes, und zwar immer das Gleiche. Spindoktor­en nennen das auf Neudeutsch „Messitsch-Disziplin“.

Apropos Neudeutsch: Familienmi­nisterin Sophie Karmasin (die in der ÖVP offensicht­lich fürs Moderne zuständig ist) lud die Medien neulich anlässlich einer Sitzung zu einem „Doorstep mit Statements“ein. Ja, Sie haben richtig gehört: „Doorstep mit Statements“.

Karmasin hätte natürlich auch einfach zu „Wortkrümel­chen zwischen Tür und Angel“einladen können. Aber das klingt viel zu altbacken. Was ist das, bitte, gegen einen hippen „Doorstep mit Statements“? Kuckuck, Kuckuck.

Wieder zurück zu den Vogerln. Wenn die Bäume ihr Laub bekommen, sind sie kaum noch zu sehen und nur noch am Gesang zu identifizi­eren. Als Hilfe dazu gibt es Vogelstimm­en-CDs.

Bei Politikern ist das anders. Man nehme nur die Debatte über die Reform des Bundesrats: Jeder darf einmal sagen, dass er für eine Reform des Bundesrats ist. Tschilp. In einer zweiten Runde darf jeder sagen, dass er jetzt wirklich für eine Reform des Bundesrats ist. Tschilp-Tschilp. Damit ist das Thema abgehakt und die Politik schreitet zur nächsten Nicht-Reform.

Das ist keine sehr hilfreiche Politikers­timmen-CD, zum Kuckuck. Ihre Meinung? salzburg.com/purgertori­um

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