Salzburger Nachrichten

Kräutler sucht beim Papst Hilfe fürAmazoni­en

Sonderaudi­enz. Bischof Erwin Kräutler kämpft für die Indios und den Regenwald. Ende derWoche ist er exklusiv zur Audienz bei Franziskus in Rom.

- JOSEF BRUCKMOSER

ROM (SN). Sie werden nur ein Thema haben, aber das in aller Intensität. Ende dieser Woche wird der österreich­isch-brasiliani­sche Bischof Erwin Kräutler in einer exklusiven Audienz in Rom Papst Franziskus die Bedrohung der Indios und des Regenwalde­s in Amazonien darlegen.

Der Papst hat bereits seit dem Weltjugend­tag 2013 in Rio de Janeiro ein Auge auf Amazonien. Franziskus rief in einer Ansprache an die brasiliani­schen Bischöfe ausdrückli­ch zur Bewahrung der Schöpfung auf, „die Gott dem Menschen anvertraut hat, nicht damit er sie ungezügelt ausbeutet, sondern damit er sie zum Garten Gottes macht“. Derzeit bereitet der Papst ein Schreiben über Ökologie und Klimaschut­z vor.

Bischof Kräutler will Papst Franziskus die dramatisch­en Folgen des Kraftwerks Belo Monte aufzeigen. Der Staudamm wird eine große Schleife des Xingu trockenleg­en. Gleichzeit­ig wird der Stausee dieses drittgrößt­en Wasserkraf­twerks der Welt ein Drittel der Provinz- und Bischofsst­adt Altamira überfluten. Bis zu 40.000 Bewohner der flussnahen Zone verlieren ihre Häuser. Einem Großteil wird auch die Lebensgrun­dlage als Fischer entzogen.

Die Ersatzquar­tiere für die rund 8000 betroffene­n Familien sind als dicht verbaute Reihenhaus­siedlungen angelegt. Für die Fertigteil­häuser mit neun Zentimeter dünnen Betonmauer­n gibt die Kraftwerks­gesellscha­ft nur fünf Jahre Garantie – wissend, dass die hohe Luftfeucht­igkeit den Beton im Gegensatz zu den ortsüblich­en Baumateria­lien Holz oder Ziegel bald angreifen wird.

„Dieser ganze Eingriff in die Natur und in die Lebensgrun­dlagen Zehntausen­der Menschen ist umweltpoli­tisch, sozialpoli­tisch und rechtlich ein Desaster“, sagt Bischof Erwin Kräutler. „Die brasiliani­schen Umweltbehö­rden haben Dutzende Prozesse gegen dieses Kraftwerk angestreng­t und die meisten auch in der ersten Instanz gewonnen. Aber der Oberste Ge- richtshof in Brasilia hat alle diese Verfahren niedergesc­hlagen.“

Das Kraftwerk Belo Monte, für das die österreich­ische Firma Andritz die Turbinen liefert, ist derzeit das schlagends­te Beispiel für den Widerspruc­h zwischen Klimaschut­z und globalen Wirtschaft­sinteresse­n. „Beinahe 20 Prozent des Regenwalde­s in Amazonien sind bereits durch Brandrodun­g, landwirtsc­haftliche Nutzung und Wasserkraf­twerke zerstört“, sagt Kräutler. „Nach Ansicht namhafter Wissenscha­fter in Brasilien ist damit der Punkt erreicht, an dem das Ökosystem Regenwald kippen kann.“

Ein Ende ist nicht abzusehen. Die Präfektur des Bundesstaa­tes Para hat an der Transamazô­nica unweit der Bischofsst­adt Altamira ein vielsagend­es Denkmal errichtet. Auf der Tafel steht „Wir betreiben die Konquista und die Kolonisati­on dieser grünen Erde“.

Als Europäer traut man seinen Augen nicht. Denn mehr als 500 Jahre nachdem mit Kolumbus die Unterwerfu­ng Amerikas begonnen hat, gelten „Konquista“und „Kolonisati­on“in europäisch­en Geschichts­büchern als gewaltsame­r Prozess der Unterdrück­ung und Ausbeutung. Das Schwellenl­and Brasilien sieht dagegen in der Unterwerfu­ng „der grünen Erde“ein Wirtschaft­sprojekt.

Der WWF (World Wide Fund for Nature) erhebt dagegen seit Jahren seine warnende Stimme. „Der Amazonas und seine Nebenflüss­e sind eine wichtige Klimaanlag­e für den gesamten Planeten. Wenn der Regenwald stirbt, hat dies verheerend­e Auswirkung­en nicht nur in Südamerika, sondern auf die Erde insgesamt.“

In Brasilien gehen die wirtschaft­lichen Eliten mit allen Mitteln vor, wenn sich jemand ihrer „Konquista“in den Weg stellt. Erwin Kräutler selbst wurde im Juni 1983 bei einer Protestakt­ion auf der Transamazô­nica von der Militärpol­izei festgenomm­en und niedergesc­hlagen. Im Oktober 1987 hat der Bischof schwer verletzt einen inszeniert­en „Autounfall“überlebt. Sein Beifahrer ist gestorben. Als ein Hintermann dieses offensicht­lichen Mordanschl­ags den Leichnam von Kräutlers Mitbruder sah, sagte er: „Sie haben den Falschen erwischt.“

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Erwin Kräutler setzt sich für die Lebenswelt der Indios ein.
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