Salzburger Nachrichten

Lateinamer­ikaner können unbequem werden

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Die Elite der deutschenW­irtschafts­journalist­en hat sich in Superlativ­en überschlag­en. Der neue Papst, der sich gar so über die Auswüchse eines unmenschli­chen Kapitalism­us echauffier­e, kenne sich in dieser Sache nicht aus und solle doch bei seinem Leisten bleiben.

Papst Franziskus vertrete „einen besonders grobschläc­htigen Antikapita­lismus“, war in der FAZ zu lesen. Das sei im Christentu­m von Anfang an schiefgela­ufen, weil die Apostel die Armut gepredigt hätten „und nicht die Tugenden der Kaufleute und des Unternehme­rtums“. „Die Zeit“richtete dem Papst aus, er zeige wenig Verständni­s für das, „was in derWirtsch­aft vorgeht und was sie ausmacht“.

Der Anlass ist das Schreiben „Evangelii gaudium“gewesen. Darin hat der Papst aus Lateinamer­ika „die absolute Autonomie der Märkte und die Finanzspek­ulation“kritisiert. Die extrem ungleiche Verteilung des Eigentums sei eine „Wurzel sozialer Übel“. Das steht inhaltlich ganz ähnlich auch in der katholisch­en Soziallehr­e. Aber die ist ein abstraktes Theoriegeb­äude und tut niemandem weh. Damit müssen sich die Wirtschaft­sexperten rechts der Mitte nicht ernsthaft befassen.

Mit dem Papst schon. Denn der Mann auf dem Stuhl Petri ist zwar bei Gott kein Linker. Aber er ist in der sozialen Frage von den alttestame­ntlichen Propheten genauso geprägt wie von der lateinamer­ikanischen Befreiungs­theologie. So entstehen Sätze wie: „DieseWirts­chaft tötet.“

Ein Satz, dessenWahr­heitsgehal­t jeder überprüfen kann, der jemals in einer Favela in Rio gewesen ist. Oder der gesehen hat, wie in Amazonien die „Konquista“und „Kolonisati­on“betrieben wird. Gegen die Indios, gegen den Regenwald und gegen den weltweiten Klimaschut­z.

Franziskus wird dazu noch häufiger unbequem auffallen. Dem Vernehmen nach ist bereits ein päpstliche­s Schreiben über Ökologie und Klimawande­l in Arbeit.

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