Ameisen beim Siedeln helfen
Kribblig. Die Zerstörung von Ameisenhaufen steht in der Steiermark unter Strafe. Wenn der Bagger kommt, müssen die Tiere übersiedeln. Wie das geht, wissenWaldameisenheger.
MITTERDORF, GRAZ (SN). Ameisenbären gibt es in unseren Breiten keine, dennoch hat die Waldameise (Formica) eine Reihe von natürlichen Feinden. Den Specht etwa, das Insekt namens Ameisenlöwe und an erster Stelle stehend: den Menschen. Durch die Zunahme der Bautätigkeit, von der Siedlungserweiterung bis zum Forststraßenbau, sind immer mehr Ameisenhügel in Gefahr. In der Steiermark, wo alle hügelbauenden Ameisen unter Schutz stehen, gibt es Kurse, in denen gelehrt wird, wie Rettungsumsiedlungen von bedrohten Ameisenvölkern fachgerecht durchgeführt werden können. „Ausbildung zum Waldameisenheger“lautet der Titel eines mehrteiligen Seminars, das am kommenden Donnerstag in der Forstlichen Ausbildungsstätte (FAST) Pichl der steirischen Landwirtschaftskammer in Mitterdorf im Mürztal beginnt. „Waldameisenvölker bilden ein komplexes Gefüge und sind ein wichtiger Bestandteil des ÖkosystemsWald“, sagt Martin Krondorfer, der Leiter der FAST in Pichl. Um die emsigen Waldameisen besser schützen zu können, sind immer wieder Umsiedlungen ihrer Nester notwendig. So weit, so kribblig. Bloß: Wie siedelt man einen Ameisenhaufen, in dem je nach Tierart zwischen 100.000 und mehreren Millionen Ameisen leben, artgerecht um?
„Das Unternehmen Ameisensiedeln ist in erster Linie eine Handarbeit, aber man muss sich sehr gut auskennen mit den Lebensgewohnheiten und Eigenheiten der Tiere“, berichtet Krondorfer, der sich selbst „Ameisenheger“nennen darf. In Österreich gibt es rund 130 unterschiedliche Ameisenarten, acht Großgruppen unter den Waldameisen, deren Königinnen bis zu 25 Jahre alt werden können.
Mit Handschuhen und großer Vorsicht sollen die Ameisennester am besten in alte Fässer, wie sie beim Schnapsbrennen verwendet worden sind, verfrachtet werden. Auch die Suche nach einem neuen Standort verlangt einiges Wissen und Erfahrung im Umgang mit den Tieren, die zahlreiche nützliche Funktionen haben.
Martin Krondorfer dazu: „Manche Pflanzen wie etwa das Schneeglöckchen benötigen Waldameisen, um sich zu vermehren. Und viele Tiere desWaldes können ohne Waldameisen nicht überleben, man denke an Raufußhühner, Schmetterlinge wie den Bläuling oder an den Rosenkäfer.“Das Waldameisenheger-Seminar ist für Mitglieder der Natur- und Bergwacht, für Bauarbeiter, aber auch für Privatpersonen gedacht. Denn: Jede mutwillige Zerstörung eines Ameisenhaufens steht in der grünen Mark unter Strafe, der Strafrahmen reicht bis zur Geldbuße in der Höhe von 7500 Euro. In der Praxis ist nicht jede Über- siedlung mit der Hilfe des Menschen von Erfolg gekrönt. „Es kann sein, dass die Waldameisen den ausgewählten Standort nicht annehmen und irgendwo in der Nähe ein neues Heim bauen“, berichtet Martin Krondorfer von seinen Erfahrungen.
Die Forschung hat ergeben, dass sich die Tiere gern in der Nähe vonWasseradern niederlassen. Bis eine Übersiedlung gänzlich abgeschlossen ist, können bis zu zwei Jahre vergehen. Waldameisenheger brauchen neben einem festen Willen, den Tieren zu helfen, auch viel Zeit und Geduld. Ameisenhügel können eine Ausdehnung von mehrerenMetern erreichen und sind an Waldrändern oder Lichtungen zu finden. An sonnigen Plätzen werden die Streukuppeln eher flach angelegt. Je schattiger der Standplatz der Kuppeln, desto höher wird der Hügel.
Nicht selten dient als Untergrund auch ein Holzstock. Dieser muss bei der Übersiedlungsaktion umgeschnitten und zum neuen Standplatz mitgenommen werden. „Nur wenige wissen, dass der Ameisenhaufen eher ein Sonnenkollektor und weniger eine Behausung ist und dass manche Waldameisenvölker bis zu 2000 Königinnen enthalten“, berichtet Krondorfer, der im Zusammenhang mit Ameisen auch von der „Gesundheitspolizei“spricht. Kleinere Tierkadaver, etwa tote Insekten oder Spinnentiere, werden von denWaldameisen penibel entsorgt. Auch ihre Leistungen als Jäger sind beachtlich: Ein mittelgroßes Ameisenvolk kann pro Jahr auf bis zu sechs Millionen Beutetiere kommen.