Offene Diskussion zum Thema Sterbehilfe
Der Artikel vom 4. 2. 2014 geht auf einige wichtige Argumente und Fragen ein, trifft jedoch nicht den tieferen und leidvollen Kern der sensiblen Thematik. Aufgrund meiner 46jährigen Erfahrung als Arzt erlaube ich mir folgende Bemerkungen: 1. In einigen Krankenhäusern in Deutschland und Österreich wird seit Jahrzehnten „terminale Sedierung“zum Segen der Patienten praktiziert. Terminale Sedierung bedeutet, dass sterbende Patienten mitMorphinen so weit wie möglich schmerzfrei und beruhigt gehalten werden. Durch die Sedierung ist jedoch auch eine Beschleunigung des Sterbeprozesses möglich. 2. Es gibt tödliche Erkrankungen, die in ihren Folgen die Leidensfähigkeit der Patienten weit überfordern – trotz Palliativmedizin. 3. Patienten erleiden vereinzelt Schmerzzustände, die auch durch die beste Schmerztherapie nicht beherrscht werden können. Mit dieser Realität werden die betroffenen Patienten alleingelassen. Es ist meinem Empfinden nach unwürdig vonseiten der Ärzte und der Gesellschaft, diese Patienten im Stich zu lassen und sie dadurch in die Illegalität (Fahrt in die Schweiz) zu treiben. Befürchtungen, dass es durch die Sterbehilfe zu einem sozialen Dammbruch kommt, wurden längst seit 2001 durch große Studien in den Niederlanden widerlegt. Ein Missbrauch der Sterbehilfe kann durch exakte juristische und medizinische Rahmenbedingungen weitgehend verhindert werden. Scheinheilige Argumente und das gegenseitige Ausspielen von Sterbehilfe, Palliativmedizin und Nazivergangenheit führen zu keiner humaneren Lösung. Aktive Sterbehilfe ist nur für sehr wenige Patienten notwendig und sollte nur als letzte Möglichkeit eingesetzt werden – wenn alle anderenMethoden versagen. Der Begriff Würde ist untrennbar mit Selbstbestimmung und Autonomie verbunden! Warum sollte gerade diese Würde dem Patienten beim Sterben abgesprochen werden? Eine offene und ehrliche Diskussion ohne Tabus muss auch in Österreich über dieses Thema geführt werden, und zwar in medizinischer, ethischer und psychologischer Hinsicht. Dr. Godfried Bernhardt Pohl, 5026 Sbg.