Die ÖVP sucht ein Programm gegen „siebenTodsünden“
Debatte. Wilfried Haslauer will nicht warten, bis sich die Bundespartei erneuert. Er gibt den Startschuss für ein eigenständiges Salzburger Programm. „Wir werden das durchziehen.“
Menschen lassen sich nicht vorschreiben, wie sie leben sollen.
Wilfried Haslauer, ÖVP-Chef
SALZBURG (SN-via). Rund 36.000 Salzburger ÖVP-Mitglieder bekommen dieser Tage Post von ihrer Partei. Die will einiges wissen. Zum Beispiel das: „Wenn Sie ganz allgemein an die Österreichische Volkspartei denken, wie empfinden Sie persönlich den derzeitigen Zustand der Österreichischen Volkspartei?“Die anzukreuzenden Antwortmöglichkeiten reichen von „sehr“bis „überhaupt nicht zufriedenstellend“.
Solcherart erkundet die Partei die Gemütsverfassung an der Basis. Es ist der Startschuss zu einem einjährigen Diskussionsprozess, an dessen Ende ein Parteitag und der Beschluss eines eigenständigen Salzburger Parteiprogramms stehen sollen. Eines Programms, das sich, sagt Landesparteiobmann Wilfried Haslauer, mit Positionen der Bundespartei decken kann, aber nicht decken muss.
Er ortet „bundesweit ein großes Bedürfnis nach Veränderung in der ÖVP. Viele üben Kritik, viele wünschen sich Reformen und einen grundlegenden Erneuerungsprozess“. Daher wolle er mit der Salzburger Volkspartei vorangehen.
Was umso leichter falle, als die Salzburger Landesgruppe bereits in den 1970er-Jahren eigene Statuten im Innenministerium hinterlegt habe und daher rein rechtlich als eigenständige Partei zu sehen sei. „Wir könnten uns jederzeit verselbstständigen“, sagt Haslauer. Um dann rasch klarzustellen, dass daran keinesfalls gedacht sei.
Er wolle keine Ergebnisse vorgeben, versicherte der Landesparteiobmann. Weshalb er auch keine Stellung zu der Frage abgeben will, die derzeit die Bundespartei beschäftigt: Sol- len homosexuelle Paare mehr Rechte erhalten? „Ich werde den vielen Meinungen meiner Partei nicht eine weitere hinzufügen.“Auch deswegen nicht, damit die Suche nach dem neuen Programm offen und unbeeinflusst laufen könne.
Eine Vorgabe machte der Landeshauptmann denn doch: Die ÖVP müsse beides sein – „modern und traditionell“. Und sie müsse sieben Todsünden meiden, die da wären:
zentralistische Tendenzen zu fördern,
unternehmerisches Denken und Handeln zu behindern,
Eigentumsbildung zu erschweren oder zu verunmöglichen, Schulden zu machen, den ländlichen Raum zu schwächen, antieuropäisch zu denken, Menschen ihren individuellen Lebensentwurf vorschreiben zu wollen.
Diesen letzten Punkt bezeichnete Haslauer als „unser Kernproblem: Die Menschen lassen sich von uns nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben“. Die individuelle Freiheit sei ein großes Thema für eine bürgerliche Partei.
Der Name Volkspartei müsse für die ÖVP Programm sein, forderte Haslauer, was bedeute: inhaltlich breit aufgestellt, ohne beliebig zu sein. Eine Gratwanderung, wie man am Wahlkampf der Stadt-ÖVP zum Thema Bettler gesehen habe. In einer umstrittenen Kampagne hatte Vizebürgermeister Harald Preuner gegen „Bettlerhorden“mobil gemacht. Damit sei einerseits der Ärger vieler Menschen über das Betteln thematisiert worden, sagte der Landesparteichef und räumte ein, dass andererseits ÖVPSympathisanten die christlichen Werte der Partei verletzt gesehen hätten. Abschließend bewerten wollte er den Wahlkampf nicht – das Beispiel aber zeige die ungeheuer große Bandbreite von Meinungen innerhalb der Volkspartei.
„Wir werden das durchziehen“, versicherte Haslauer. Der Programmprozess sei ein „historischer“, keine andere Landesorganisation habe ein eigenständiges Programm.
Darin sieht Erhard Busek, ÖVP-Bundesparteichef von 1991 bis 1995, der bereits zuvor als „bunter Vogel“versucht hatte, die ÖVP zu öffnen, auch eine Gefahr: „Dass Haslauer diesen Prozess einleitet, finde ich gut. Aber was wird das Ergebnis sein?“Er fürchtet, dass am Ende neun verschiedene ÖVPProgramme herauskommen könnten. Die Grundwerte, auf denen die Partei ruhe, sollten aber überall dieselben sein. Wenn diese diskutiert würden, dann am besten einerseits im europäischen Zusammenhang und andererseits im Dialog mit Gruppen, die nicht zur Partei gehörten, wie etwa Religionsgemeinschaften. Letztgenanntes will die Salzburger ÖVP in kleinerem Rahmen tun: Eingeladen zum Mitdiskutieren werden auch sogenannte bürgerliche Persönlichkeiten, die keine Parteimitglieder sind.