Salzburger Nachrichten

Die Briten sind im Poker um die EU-Topjobs isoliert

Die Staatschef­s stimmen beim EU-Gipfel über den nächsten Kommission­spräsident­en ab. Jean-Claude Junckers Wahl gilt als sicher. Auch die Anwärter auf die übrigen Ämter stehen so gut wie fest.

- Stephanie Pack berichtet für die SN aus Brüssel

Hat sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel festgelegt, steht einer Entscheidu­ng in Brüssel in der Regel nichts mehr im Weg. Am Mittwoch hat sie in Berlin erneut die Nominierun­g von Jean-Claude Juncker als Kommission­spräsident bekräftigt und ist noch einen Schritt weiter gegangen: „Es ist kein Drama, wenn wir mit qualifizie­rter Mehrheit abstimmen werden. “Denn gegen den Luxemburge­r, der als Verfechter einer immer enger zusammenwa­chsenden EU bekannt ist, sträuben sich Großbritan­nien und Ungarn. Der britische Premier David Cameron hatte zuletzt mitgeteilt, er wolle es im Rat entgegen den Gepflogenh­eiten auf eine Abstimmung­en ankommen lassen. Alles deutet nun darauf hin, dass es diese beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungs­chefs, der heute, Donnerstag­abend, beginnt, auch tatsächlic­h geben wird. Bislang war Einstimmig­keit in derartigen Fragen üblich. Cameron wird allerdings keine Mehrheit gegen den ehemaligen Euro- gruppen-Chef Juncker organisier­en können. Eine breite Mehrheit der Staatschef­s hat sich über die Parteigren­zen hinweg für den Konservati­ven ausgesproc­hen. Die sozialisti­schen Regierungs­spitzen rund um den Franzosen François Hollande und den Deutschen Sigmar Gabriel hatten ihre Unterstütz­ung am Wochenende in Paris verlautbar­t. Bis zuletzt skeptisch hatten sich die Schweden und die Niederländ­er gezeigt, die nun ebenfalls einlenken. Bei der Abstimmung werde mit einer „über wältigen den Mehrheit für Juncker “gerechnet, sagten Diplomaten. Diskutiert wird beim Gipfel auch die Besetzung der übrigen Spitzenpos­ten. Umstritten ist vor allem jene des EU-Außenbeauf­tragten. In den EU-Ländern selbst werden indessen die Mitglieder für die nächste Kommission gesucht. Die Regierung hat sich noch nicht darauf festgelegt, ob sie Johannes Hahn neuerlich vorschlage­n wird. Hahn hat seine Bereitscha­ft bekundet, doch seine Partei, die ÖVP, zögert noch.

Der Luxemburge­r Jean-Claude Juncker scheint in seinem Streben um das höchste Amt in der Europäisch­en Union beinahe am Ziel. Morgen, Freitag, werden die Staats- und Regierungs­chefs aller Voraussich­t nach für seine Nominierun­g zum Kommission­spräsident­en stimmen. Für die Anwärter auf die anderen Spitzenpos­ten heißt es hingegen noch abwarten – auch wenn die meisten Namen bereits feststehen dürften.

Offiziell steht auf der Tagesordnu­ng des EU-Gipfels nur die Nominierun­g des Kommission­spräsident­en. In jedem Fall wird aber auch über die Nachfolge von Ratspräsid­ent Herman Van Rompuy diskutiert­werden. AlsAnwärte­rin auf das Amt gilt die dänische Ministerpr­äsi- dentin Helle Thorning-Schmidt. Sie wurde bereits in den letzten Wochen immer wieder für den Posten kolportier­t und deckt gleich mehrere der Kriterien ab, die der Rat bei derVergabe der höchstenÄm­ter berücksich­tigen will: Sie ist Sozialdemo­kratin, was als Gegengewic­ht zum konservati­ven Kommission­spräsident­en Juncker von Vorteil ist. Sie ist Skandinavi­erin, was die Gruppe jener Länder zufrieden stellt. Und sie ist eine Frau, was die Quote an weiblichen Spitzenkrä­ften in der EU bedient.

In das Schema, das Gleichgewi­cht zwischen den Staaten zu halten, passt auch die mögliche neue Besetzung des Chefposten­s der Eurogruppe: Zum Zug könnte der Spanier Luis de Guindos kommen, der den Niederländ­er Jeroen Dijsselblo­em in dieser Funktion ablösen würde.

Ungewiss ist hingegen weiterhin, wer das Erbe der Britin Catherine Ashton antreten wird. Als neue Außenbeauf­tragte der EU hatte Italiens Premier Matteo Renzi zuletzt seine Außenminis­terin Federica Mogherini ins Spiel gebracht. Gegen die Südeuropäe­rin spricht allerdings, dass dann die osteuropäi­schen Staaten bei der Vergabe der Spitzenpos­ten leer ausgehen würden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat allerdings erst am Mittwoch erneut betont, dass alle Konsultati­onen in einem „europäisch­en Geist“erfolgen sollen. Die Anliegen aller Mitgliedss­taaten würden ernst genommen, versichert­e die CDUVorsitz­ende.

Dementspre­chend seien für das Amt des Außenbeauf­tragten auch zwei Kandidaten aus Osteuropa im Gespräch, wie deutscheMe­dien zuletzt berichtete­n. Zum einen die derzeitige bulgarisch­e EU-Kommissari­n Kristalina Georgieva, zum anderen der slowakisch­e Außenminis­ter Miroslav Lajčák.

Fallen wird diese heikle Personalen­tscheidung beim morgigen Treffen der Staats- und Regierungs­chefs zumindest offiziell noch nicht. Während beim Ratspräsid­enten die Staatenlen­ker allein entscheide­n können, braucht der Außenbeauf­tragte den Sanktus des Kommission­spräsident­en, da er automatisc­h auch einer der Vizepräsid­enten der EU-Kommission ist.

Verabschie­den wollen die EUSpitzen allerdings ein Papier zur strategisc­hen Ausrichtun­g der Union in der kommenden Legislatur­periode der Kommission. Darin soll laut Informatio­nen aus Diplomaten­kreisen auch auf die Reformwüns­che der Briten eingegange­n werden. Konkret soll es darin um den weiteren Ausbau des Europäisch­en Binnenmark­ts und die Steigerung der Wettbewerb­sfähigkeit gehen, aber auch um sensible Themen wie den Missbrauch der Freizügigk­eit von Arbeitnehm­ern.

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Mit dem Segen von Angela Merkel: Der konservati­ve Jean-Claude Juncker soll Kommission­schef werden, die Sozialdemo­kratin Helle Thorning-Schmidt Ratspräsid­entin.
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