Die Briten sind im Poker um die EU-Topjobs isoliert
Die Staatschefs stimmen beim EU-Gipfel über den nächsten Kommissionspräsidenten ab. Jean-Claude Junckers Wahl gilt als sicher. Auch die Anwärter auf die übrigen Ämter stehen so gut wie fest.
Hat sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel festgelegt, steht einer Entscheidung in Brüssel in der Regel nichts mehr im Weg. Am Mittwoch hat sie in Berlin erneut die Nominierung von Jean-Claude Juncker als Kommissionspräsident bekräftigt und ist noch einen Schritt weiter gegangen: „Es ist kein Drama, wenn wir mit qualifizierter Mehrheit abstimmen werden. “Denn gegen den Luxemburger, der als Verfechter einer immer enger zusammenwachsenden EU bekannt ist, sträuben sich Großbritannien und Ungarn. Der britische Premier David Cameron hatte zuletzt mitgeteilt, er wolle es im Rat entgegen den Gepflogenheiten auf eine Abstimmungen ankommen lassen. Alles deutet nun darauf hin, dass es diese beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, der heute, Donnerstagabend, beginnt, auch tatsächlich geben wird. Bislang war Einstimmigkeit in derartigen Fragen üblich. Cameron wird allerdings keine Mehrheit gegen den ehemaligen Euro- gruppen-Chef Juncker organisieren können. Eine breite Mehrheit der Staatschefs hat sich über die Parteigrenzen hinweg für den Konservativen ausgesprochen. Die sozialistischen Regierungsspitzen rund um den Franzosen François Hollande und den Deutschen Sigmar Gabriel hatten ihre Unterstützung am Wochenende in Paris verlautbart. Bis zuletzt skeptisch hatten sich die Schweden und die Niederländer gezeigt, die nun ebenfalls einlenken. Bei der Abstimmung werde mit einer „über wältigen den Mehrheit für Juncker “gerechnet, sagten Diplomaten. Diskutiert wird beim Gipfel auch die Besetzung der übrigen Spitzenposten. Umstritten ist vor allem jene des EU-Außenbeauftragten. In den EU-Ländern selbst werden indessen die Mitglieder für die nächste Kommission gesucht. Die Regierung hat sich noch nicht darauf festgelegt, ob sie Johannes Hahn neuerlich vorschlagen wird. Hahn hat seine Bereitschaft bekundet, doch seine Partei, die ÖVP, zögert noch.
Der Luxemburger Jean-Claude Juncker scheint in seinem Streben um das höchste Amt in der Europäischen Union beinahe am Ziel. Morgen, Freitag, werden die Staats- und Regierungschefs aller Voraussicht nach für seine Nominierung zum Kommissionspräsidenten stimmen. Für die Anwärter auf die anderen Spitzenposten heißt es hingegen noch abwarten – auch wenn die meisten Namen bereits feststehen dürften.
Offiziell steht auf der Tagesordnung des EU-Gipfels nur die Nominierung des Kommissionspräsidenten. In jedem Fall wird aber auch über die Nachfolge von Ratspräsident Herman Van Rompuy diskutiertwerden. AlsAnwärterin auf das Amt gilt die dänische Ministerpräsi- dentin Helle Thorning-Schmidt. Sie wurde bereits in den letzten Wochen immer wieder für den Posten kolportiert und deckt gleich mehrere der Kriterien ab, die der Rat bei derVergabe der höchstenÄmter berücksichtigen will: Sie ist Sozialdemokratin, was als Gegengewicht zum konservativen Kommissionspräsidenten Juncker von Vorteil ist. Sie ist Skandinavierin, was die Gruppe jener Länder zufrieden stellt. Und sie ist eine Frau, was die Quote an weiblichen Spitzenkräften in der EU bedient.
In das Schema, das Gleichgewicht zwischen den Staaten zu halten, passt auch die mögliche neue Besetzung des Chefpostens der Eurogruppe: Zum Zug könnte der Spanier Luis de Guindos kommen, der den Niederländer Jeroen Dijsselbloem in dieser Funktion ablösen würde.
Ungewiss ist hingegen weiterhin, wer das Erbe der Britin Catherine Ashton antreten wird. Als neue Außenbeauftragte der EU hatte Italiens Premier Matteo Renzi zuletzt seine Außenministerin Federica Mogherini ins Spiel gebracht. Gegen die Südeuropäerin spricht allerdings, dass dann die osteuropäischen Staaten bei der Vergabe der Spitzenposten leer ausgehen würden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat allerdings erst am Mittwoch erneut betont, dass alle Konsultationen in einem „europäischen Geist“erfolgen sollen. Die Anliegen aller Mitgliedsstaaten würden ernst genommen, versicherte die CDUVorsitzende.
Dementsprechend seien für das Amt des Außenbeauftragten auch zwei Kandidaten aus Osteuropa im Gespräch, wie deutscheMedien zuletzt berichteten. Zum einen die derzeitige bulgarische EU-Kommissarin Kristalina Georgieva, zum anderen der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák.
Fallen wird diese heikle Personalentscheidung beim morgigen Treffen der Staats- und Regierungschefs zumindest offiziell noch nicht. Während beim Ratspräsidenten die Staatenlenker allein entscheiden können, braucht der Außenbeauftragte den Sanktus des Kommissionspräsidenten, da er automatisch auch einer der Vizepräsidenten der EU-Kommission ist.
Verabschieden wollen die EUSpitzen allerdings ein Papier zur strategischen Ausrichtung der Union in der kommenden Legislaturperiode der Kommission. Darin soll laut Informationen aus Diplomatenkreisen auch auf die Reformwünsche der Briten eingegangen werden. Konkret soll es darin um den weiteren Ausbau des Europäischen Binnenmarkts und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gehen, aber auch um sensible Themen wie den Missbrauch der Freizügigkeit von Arbeitnehmern.