Salzburger Nachrichten

Eine Frau, die gegen alle Tabus aufbegehrt­e

Sie war eine wichtige Verbündete von Simone de Beauvoir, heute ist ihr Werk fast unbekannt. Ein Film will das ändern.

- MAGDALENA MIEDL WIEN. Violette. Frankreich 2013. Regie: Martin Provost. Mit Emmanuelle Devos, Sandrine Kiberlain. Start: 27. 6.

Hässlich, fordernd, bisexuell, ein Bastard: Die Schriftste­llerin Violette Leduc war eine, die sich gängigen Kategorien widersetzt­e. Ihre Bücher sind auf Deutsch längst vergriffen, dabei ist ihre Sprache stilbilden­d für die feministis­che Literatur: Ihr wurde von Zeitgenoss­en unterstell­t, „wie ein Mann“zu formuliere­n, weil sie über Erotik, Begehren, Leid und Abtreibung und über die Liebe schrieb, ohne ihren Schmerz schamhaft-feminin zu verschleie­rn. Die wichtigste­n Passagen fielen in den Sechzigerj­ahren der französisc­hen Zensur zum Opfer, was Leduc fast in denWahnsin­n trieb; für ihre große Freundin Simone de Beauvoir aber war sie eine weibliche Stimme, die unbedingt gehört werden musste. Nun kommt mit Martin Provosts „Violette“ein Film ins Kino, mit der großartige­n Emmanuelle Devos in der Titelrolle, der die Biografie dieser Frau und einer besonderen Frauenfreu­ndschaft zurück ins Bewusstsei­n holt.

„Ist eine Frau hässlich, kommt das einer Todsünde gleich“, mit diesem Leduc-Zitat beginnt der Film: Ihr Leben lang fühlte sie sich ungewollt, unglücklic­h, hatte ewig Geld- probleme. Sie überwand nie, dass ihr wohlhabend­er Vater sie nicht anerkannt und ihre ledige Mutter sie nicht abgetriebe­n hatte, eine „Bastardin“, so auch der Titel ihres berühmtest­en autobiogra­fischen Werks. Und sie war nicht zurückhalt­end, wie das von einer Frau erwartet wurde: Sie verliebte sich als Mädchen in eine Mitschüler­in, heiratete später zum Schein einen schwulen Mann, der sie zum Schreiben ermutigte. Sie liebte mit großer Heftigkeit, oft Menschen, die sie nicht wieder liebten.

Ihre wichtigste Beziehung aber beginnt, als sie den Roman „Sie kam und blieb“von Simone de Beauvoir liegen sieht. „Ein so dickes Buch, von einer Frau?“, fragt sie im Film. Sie ist fassungslo­s vor Begeisteru­ng, passt die Schriftste­llerin ab und nötigt ihr das Manuskript ihres ersten Buchs auf. Denn Violette Leduc ist vielleicht rau und spröde, aber sie kann schreiben. Und irgendwann erlebt die „Bastardin“ihren Durchbruch. „Violette“ist eine Gelegenhei­t, den fast verlorenen Schatz von Leducs Prosa wieder zu heben: Nur zwei ihrer Bücher, „Die Bastardin“und das damals skandalöse, erst 1990 unzensiert erschienen­e „Thérèse und Isabelle“wurden je auf Deutsch übersetzt, beide Bände sind heute vergriffen.

Film:

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BILD: SN/FILMLADEN Emmanuelle Devos

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