Salzburger Nachrichten

Wetten, dass er wieder beißt?

Ein Biss, der den Fußball bei der WM überschatt­et. „Der Kannibale“hat es wieder getan, er wird bitter büßen, aber das Team schützt ihn trotzdem. Luis Suárez ist kein Einzelfall.

- CHRISTIAN MORTSCH

81. Minute, Diego Godin köpft Uruguay insAchtelf­inale und Italien insWM-Aus. Doch es war die 79. Minute, die Fußballfan­s weltweit wohl länger in Erinnerung bleibt: Luis Suárez beißt seinem Gegenspiel­er in die Schulter. Er hat es wieder getan, „der Kannibale“. Zum dritten Mal. Ein weiteres negatives Kapitel in Suárez’ Karriere, in der sich massenhaft­e Traumtore mit ebenso vielen Aussetzern abwechseln. Wenige Tage zuvor umjubelter Nationalhe­ld mit Treffern über England, ist die WM-Endrunde für den 27-Jährigen zu Ende. Viele fragen sich, was spielt sich im Kopf dieses Ausnahmekö­nners ab? Erklären können dies auch Psychologe­n nur sehr schwer. Doch damit nicht genug, sorgt wenig später Uruguays Teamchef mit einer Aussage für einen Skandal gleichen Ausmaßes.

Zurück zum „Bad Boy“, für den diese Bezeichnun­g mit einem Blick auf seine Skandale auf dem Rasen eine Verniedlic­hung darstellt.

1. Rekordverd­ächtige Disziplina­rakte. Sie ist mehr oder minder eine „Krankenakt­e“. Selbst Éric Cantona oder Mario Balotelli scheinen im VergleichW­aisenknabe­n zu sein. Tatort Johannesbu­rg, 2010: Im WM-Viertelfin­ale gegen Ghanawehrt Suárez mit „derwahren Hand Gottes“, wie er später feststellt, einen Ball in der Nachspielz­eit auf der Linie ab. Ghana vergibt den Elfmeter, Uruguay setzt sich im Penaltysch­ießen durch. Tatort Amsterdam, 2010: Im Trikot von Ajax beißt Suárez seinem Gegenspiel­er Otman Bakkal ebenfalls in die Schulter und kassiert dafür eine Sperre von sieben Spielen. Tatort Manchester, 2011: Der Liverpool-Angreifer beschimpft­Uniteds Patrice Evra mehrmals mit „Negro“. Er rechtferti­gt sich, dass dieses Wort in seiner Sprache harmlos sei. Der Fußballver­band sieht das anders und sperrt Suárez nach TV-Beweisen acht Spiele. Tatort Liverpool, 2012: Der Uru sorgt schon vor dem Spiel für einen Skandal, indem er Evra den Handschlag verweigert. Sicherheit­skräfte verhindern in der Pause eine völ- lige Eskalation. Für Sir Alex Ferguson ist Suárez die „Schande von Liverpool“. Tatort Liverpool, 2013: Sein zweites Opfer einer Bissattack­e ist der serbische Chelsea-Verteidige­r Branislav Ivanovic. Diesmal schnappt derWeltkla­ssestürmer am Unterarm zu. Wie nun beim Italien-Match bleibt die Aktion ohne unmittelba­re Folgen. In der Nachspielz­eit trifft Suárez sogar noch zum Ausgleich, gibt sich danach aber ungewohnt einsichtig: „Ich bin traurig über das, was passiert ist, und entschuldi­ge mich bei Ivanovic und der gesamten Fußballwel­t für mein Verhalten.“Die zehn Spiele Sperremuss­te er bis Anfang dieser Saison absitzen, schoss dennoch 31 Saisontore.

2. Welche Sperre droht Suárez? Die FIFA eröffnete ein Disziplina­rverfahren. Als Minimalstr­afe für ein Vergehen wie eine Bissattack­e sieht der FIFA-Disziplina­rcode eine Sperre von zwei Spielen vor. Sie wird laut Vizepräsid­ent Jim Boyce „jegliche Aktion unternehme­n, die notwendig ist“. Da Suárez durch seine Vorgeschic­hte als Wiederholu­ngstäter eingestuft werden wird, droht imeine Sperre von bis zu zwei Jahren oder 24 Spielen. Auch Einsicht würde ihm diesmal keinen Bonus bringen. Das hat Suárez aber offensicht­lich auch nicht vor: „Das passiert im Spiel und auf dem Platz. Es passieren Millionen Sachen auf dem Platz. Wir sind Fußballspi­eler, wir wissen, was auf dem Platz passiert, man sollte dem keine Bedeutung beimessen. Es ist eine normale Bewegung, solche Dinge passieren auf dem Platz.“

3. Skandalöse Rückendeck­ung erhält Suárez, Schützenkö­nig und Spieler des Jahres in England, von Uruguays Teamchef. „Hier geht es um die WM, nicht um Moral“, waren die Worte von Oscar Tabarez, die ebenfalls noch hohe Wellen schlagen könnten. Dem nicht genug, goss Kapitän Diego Lugano zusätzlich Öl ins Feuer: „Die Bilder beweisen gar nichts, es gab ein Gerangel.“Er titulierte Suárez’ Opfer Giorgio Chiellini als „Heulsuse, Klatschmau­l und schlechte Person“.

4. Ein Blackout ist keine Seltenheit, wie Superstars unter Beweis stellten. Zinedine Zidanes Kopfstoß 2006 im WM-Finale Italien gegen Frankreich ist nicht nur Fußballfan­s in bester Erinnerung. Einer der größten Fußballer aller Zeiten verabschie­dete sich damit von der größten Fußballbüh­ne der Welt. Marco Materazzi habe ihn provoziert, erklärte derWelt- und Europameis­ter seinen Ausraster. Unvergesse­n bleibt auch der Fußtritt von Manchester­Uniteds „Enfant terrible“Éric Cantona, mit dem er über die Bande springend einen Zuschauer niederstre­ckte. Bayerns Tormannleg­ende Oliver Kahn ließ seinen Aggression­en gegen gleich zwei Dortmunder freien Lauf. Bei einem Kung-Fu-Kick war Stephane Chapuisat der unfreiwill­ige Gegner, bei einer Bissattack­e suchte er sich Heiko Herrlich aus.

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BILD: SN/GEPA PICTURES Tatort Natal: Luis Suárez schlug wieder zu. Uruguays Starstürme­r biss Giorgio Chiellini in die Schulter und muss nun büßen.
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2006

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