Wetten, dass er wieder beißt?
Ein Biss, der den Fußball bei der WM überschattet. „Der Kannibale“hat es wieder getan, er wird bitter büßen, aber das Team schützt ihn trotzdem. Luis Suárez ist kein Einzelfall.
81. Minute, Diego Godin köpft Uruguay insAchtelfinale und Italien insWM-Aus. Doch es war die 79. Minute, die Fußballfans weltweit wohl länger in Erinnerung bleibt: Luis Suárez beißt seinem Gegenspieler in die Schulter. Er hat es wieder getan, „der Kannibale“. Zum dritten Mal. Ein weiteres negatives Kapitel in Suárez’ Karriere, in der sich massenhafte Traumtore mit ebenso vielen Aussetzern abwechseln. Wenige Tage zuvor umjubelter Nationalheld mit Treffern über England, ist die WM-Endrunde für den 27-Jährigen zu Ende. Viele fragen sich, was spielt sich im Kopf dieses Ausnahmekönners ab? Erklären können dies auch Psychologen nur sehr schwer. Doch damit nicht genug, sorgt wenig später Uruguays Teamchef mit einer Aussage für einen Skandal gleichen Ausmaßes.
Zurück zum „Bad Boy“, für den diese Bezeichnung mit einem Blick auf seine Skandale auf dem Rasen eine Verniedlichung darstellt.
1. Rekordverdächtige Disziplinarakte. Sie ist mehr oder minder eine „Krankenakte“. Selbst Éric Cantona oder Mario Balotelli scheinen im VergleichWaisenknaben zu sein. Tatort Johannesburg, 2010: Im WM-Viertelfinale gegen Ghanawehrt Suárez mit „derwahren Hand Gottes“, wie er später feststellt, einen Ball in der Nachspielzeit auf der Linie ab. Ghana vergibt den Elfmeter, Uruguay setzt sich im Penaltyschießen durch. Tatort Amsterdam, 2010: Im Trikot von Ajax beißt Suárez seinem Gegenspieler Otman Bakkal ebenfalls in die Schulter und kassiert dafür eine Sperre von sieben Spielen. Tatort Manchester, 2011: Der Liverpool-Angreifer beschimpftUniteds Patrice Evra mehrmals mit „Negro“. Er rechtfertigt sich, dass dieses Wort in seiner Sprache harmlos sei. Der Fußballverband sieht das anders und sperrt Suárez nach TV-Beweisen acht Spiele. Tatort Liverpool, 2012: Der Uru sorgt schon vor dem Spiel für einen Skandal, indem er Evra den Handschlag verweigert. Sicherheitskräfte verhindern in der Pause eine völ- lige Eskalation. Für Sir Alex Ferguson ist Suárez die „Schande von Liverpool“. Tatort Liverpool, 2013: Sein zweites Opfer einer Bissattacke ist der serbische Chelsea-Verteidiger Branislav Ivanovic. Diesmal schnappt derWeltklassestürmer am Unterarm zu. Wie nun beim Italien-Match bleibt die Aktion ohne unmittelbare Folgen. In der Nachspielzeit trifft Suárez sogar noch zum Ausgleich, gibt sich danach aber ungewohnt einsichtig: „Ich bin traurig über das, was passiert ist, und entschuldige mich bei Ivanovic und der gesamten Fußballwelt für mein Verhalten.“Die zehn Spiele Sperremusste er bis Anfang dieser Saison absitzen, schoss dennoch 31 Saisontore.
2. Welche Sperre droht Suárez? Die FIFA eröffnete ein Disziplinarverfahren. Als Minimalstrafe für ein Vergehen wie eine Bissattacke sieht der FIFA-Disziplinarcode eine Sperre von zwei Spielen vor. Sie wird laut Vizepräsident Jim Boyce „jegliche Aktion unternehmen, die notwendig ist“. Da Suárez durch seine Vorgeschichte als Wiederholungstäter eingestuft werden wird, droht imeine Sperre von bis zu zwei Jahren oder 24 Spielen. Auch Einsicht würde ihm diesmal keinen Bonus bringen. Das hat Suárez aber offensichtlich auch nicht vor: „Das passiert im Spiel und auf dem Platz. Es passieren Millionen Sachen auf dem Platz. Wir sind Fußballspieler, wir wissen, was auf dem Platz passiert, man sollte dem keine Bedeutung beimessen. Es ist eine normale Bewegung, solche Dinge passieren auf dem Platz.“
3. Skandalöse Rückendeckung erhält Suárez, Schützenkönig und Spieler des Jahres in England, von Uruguays Teamchef. „Hier geht es um die WM, nicht um Moral“, waren die Worte von Oscar Tabarez, die ebenfalls noch hohe Wellen schlagen könnten. Dem nicht genug, goss Kapitän Diego Lugano zusätzlich Öl ins Feuer: „Die Bilder beweisen gar nichts, es gab ein Gerangel.“Er titulierte Suárez’ Opfer Giorgio Chiellini als „Heulsuse, Klatschmaul und schlechte Person“.
4. Ein Blackout ist keine Seltenheit, wie Superstars unter Beweis stellten. Zinedine Zidanes Kopfstoß 2006 im WM-Finale Italien gegen Frankreich ist nicht nur Fußballfans in bester Erinnerung. Einer der größten Fußballer aller Zeiten verabschiedete sich damit von der größten Fußballbühne der Welt. Marco Materazzi habe ihn provoziert, erklärte derWelt- und Europameister seinen Ausraster. Unvergessen bleibt auch der Fußtritt von ManchesterUniteds „Enfant terrible“Éric Cantona, mit dem er über die Bande springend einen Zuschauer niederstreckte. Bayerns Tormannlegende Oliver Kahn ließ seinen Aggressionen gegen gleich zwei Dortmunder freien Lauf. Bei einem Kung-Fu-Kick war Stephane Chapuisat der unfreiwillige Gegner, bei einer Bissattacke suchte er sich Heiko Herrlich aus.