Salzburger Nachrichten

Klinsmann lässt die USA träumen

Fußball gewinnt in den Vereinigte­n Staaten von Amerika immer mehr an Boden. Bereits rund 13 Millionen US-Bürger spielen inzwischen mit Begeisteru­ng Soccer.

- WASHINGTON. Traum von Sieg: Heute geht es gegen Deutschlan­d.

Amerika hat das Fußballfie­ber erfasst. Statt Football flimmert auf den TV-Schirmen der Kneipen und Restaurant­s nun Soccer, wie das Spiel der Spiele hierzuland­e heißt. Und heute, Donnerstag, dürften nicht wenige ihre Mittagspau­se verlängern, um live mitzuerleb­en, ob der Truppe von Jürgen Klinsmann ein Wunder gegen Deutschlan­d gelingt. Sieg. Gruppensie­g. Achtelfina­le und dann vielleicht Weltmeiste­r? Die Erwartunge­n an das US-Team schießen trotz des traumatisc­hen 2:2-Treffers der Portugiese­n 30 Sekunden vor Spielende in den Himmel.

Doch selbst bei einer knappen Niederlage gegen die Stars aus „Good Old Germany“könnte es für das Weiterkomm­en in der „Todesgrupp­e“reichen. Wer hätte das gedacht? Team USA gelang schon ein Turnierauf­takt nach Maß. Der Thomas Spang berichtet für die SN aus den USA Schiedsric­hter hatte das Spiel gegen Ghana gerade erst angepfiffe­n, da dribbelte Clint Dempsey an der halben Abwehr vorbei und versenkte den Ball im langen Eck. EinTor nach 34 Sekunden. Der sechstschn­ellste Treffer in der Geschichte der Fußball-WM setzte ein dickes Ausrufezei­chen hinter die neue Spielweise, die Klinsmann dem US-Soccer verordnet hat.

Der 2011 angeheuert­e Deutsche gelobte, den athletisch­en Fußballern des US-Teams Offensivge­ist einzuflöße­n. Keine einfache Aufgabe für den Trainer, der eine Mannschaft übernahm, die einfach nicht zum Tor kam. Sechs Mal hintereina­nder qualifizie­rten sich die Amerikaner für den World Cup und schafften es 2002 sogar bis ins Viertelfin­ale. Besonders Kennzeiche­n derUS-Boys: ordentlich­esDefensiv­spiel, physisch auf der Höhe, aber Ladehemmun­g im Sturm.

Der Doppelstaa­tsbürger Klinsmann musste vor dem Turnier ätzende Kritik über sich ergehen lassen, weil er Superstar Landon Donovan nicht nach Brasilien mitnehmen wollte. „Mister Klinsmann will uns erzählen, wie amerikanis­cher Sport funktionie­rt“, schimpfte Moderator Michael Wilbon vom wichtigste­nUS-Sportsende­r ESPN: „Hau ab von hier, hau ab aus Amerika.“

Klinsmann denkt nicht imTraum daran. Schließlic­h hat ihn der Präsident des amerikanis­chen Fußballver­bands, Sunil Gulati, dafür angeheuert, den Laden aufzumisch­en. In einer Magazinges­chichte für die „New York Times“stänkerte Klinsmann gegen das, was er als Heldenkult im US-Sport ausmacht. Stars würden nicht für künftige Leistungen honoriert, sondern für das, was sie irgendwann einmal geleistet haben. In die Welt des quirligen Schwaben, der mit seiner amerikanis­chen Frau Debbie in Kalifornie­n lebt, passt dieses Anspruchsd­enken überhaupt nicht hinein.

Er krempelt das US-Team genauso um, wie die deutsche Nationalma­nnschaft, als er dort 2004 die Führung übernahm. Er setzte Startorwar­t Oliver Kahn während der Weltmeiste­rschaft 2006 auf die Ersatzbank und gab jungen Spielern eine Chance, sich zu entwickeln.

Gewöhnungs­bedürftig für die unter Testostero­nüberschus­s leidenden Sportkomme­ntatoren der USA war auch der Realismus, mit dem Klinsmann die Möglichkei­ten seiner Jungs in Brasilien einschätzt­e. „Wir können nicht gewinnen, weil wir noch nicht das Niveau haben“, räumte der ehemalige Weltklasse­stürmer ein. „Wir müssten sieben Mal das Spiel unseres Lebens machen, um dieses Turnier zu gewinnen.“

Was nicht heißt, dass er nicht langfristi­g daran arbeitet, die Spitze der Fußballwel­t zu erklimmen. Unermüdlic­h reist der Tausendsas­sa durch Europa, um in der englischen Premier League, der Bundesliga sowie in den Ligen Spaniens, Italiens, Hollands und anderswo Talente für den amerikanis­chen Fußballver­band zu rekrutiere­n. Mit Erfolg.

In Brasilien hat Klinsmann allein fünf deutsch-amerikanis­che Spieler im Kader. Jermaine Jones, Fabian Johnson, Timmy Chandler, John Brooks und Julian Green stammen aus Familien, in denen der Vater bei den Streitkräf­ten diente und die Mutter Deutsche ist. Sie wuchsen in

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