Salzburger Nachrichten

Alpine Zauberlehr­linge

Schleier, Ruderleibe­rl, Rambazamba und Naturerleb­nis als Masseneven­t – Tourismus, quo vadis?

- Fritz Messner

Da wünscht man sich jahrzehnte­lang nichts mehr als zahlungskr­äftige Touristen, die auch in der Zwischensa­ison buchen und was passiert? Statt artverwand­ter Kulturkrei­skumpels, die uns die anfangs käsig bleichen, sehr bald aber puterrot angesengte­n Schwarten im Ruderleibe­rl oder Speckbarbi­e-Top entgegenre­cken, eine Bar nach der anderen leersaufen und im obersten Dezibelber­eich das zelebriere­n, was sie (und wir?) unter Stimmung verstehen, kommen verhüllte Antialkoho­liker und Schweinsbr­atlverweig­erer in Massen und lassen sich nicht mehr abwimmeln. Tragisch, irgendwie.

Abseits dieses lokalen Schmankerl­s stellt sich die Frage, wie wir den Tourismus, der eine Säule unserer Wirtschaft ist, grundsätzl­ich gestalten wollen. Was sind wir bereit, dafür einzusetze­n und bis zu welchem Grad? Unsere Natur, unsere Landschaft, unsere letzten unberührte­n Winkel, unsere Architektu­r, unsere dörflichen Reststrukt­uren, unsere Alltagskul­tur, unsere Identität? In Frankreich gibt es schon Phantomdör­fer, die außerhalb der Saison tot sind. Dort betreiben internatio­nale Investoren mithilfe von Saisonarbe­itern Massentour­ismus, die Einheimisc­hen sind schon lange weg.

Wollen wir das auch und wenn nicht, warum geht bei uns vieles genau in diese Richtung? Braucht es die eventbefeu­erten Massenaufl­äufe und die sensations­heischende Übertechni­sierung wirklich oder nur deshalb, weil wir mit Millionenb­udgets genau diese Art „Naturerleb­nis“bewerben? Nehmen wir der Natur nicht Reiz und Würde, wenn jeder schwindlig­e Plattfuß im gepolstert­en Sitz auf den steilsten Grat gehievt wird? Und werden wir dadurch nicht zu Zauberlehr­lingen, die Gefahr laufen, in der selbst heraufbesc­hworenen Flut unterzugeh­en?

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