Alpine Zauberlehrlinge
Schleier, Ruderleiberl, Rambazamba und Naturerlebnis als Massenevent – Tourismus, quo vadis?
Da wünscht man sich jahrzehntelang nichts mehr als zahlungskräftige Touristen, die auch in der Zwischensaison buchen und was passiert? Statt artverwandter Kulturkreiskumpels, die uns die anfangs käsig bleichen, sehr bald aber puterrot angesengten Schwarten im Ruderleiberl oder Speckbarbie-Top entgegenrecken, eine Bar nach der anderen leersaufen und im obersten Dezibelbereich das zelebrieren, was sie (und wir?) unter Stimmung verstehen, kommen verhüllte Antialkoholiker und Schweinsbratlverweigerer in Massen und lassen sich nicht mehr abwimmeln. Tragisch, irgendwie.
Abseits dieses lokalen Schmankerls stellt sich die Frage, wie wir den Tourismus, der eine Säule unserer Wirtschaft ist, grundsätzlich gestalten wollen. Was sind wir bereit, dafür einzusetzen und bis zu welchem Grad? Unsere Natur, unsere Landschaft, unsere letzten unberührten Winkel, unsere Architektur, unsere dörflichen Reststrukturen, unsere Alltagskultur, unsere Identität? In Frankreich gibt es schon Phantomdörfer, die außerhalb der Saison tot sind. Dort betreiben internationale Investoren mithilfe von Saisonarbeitern Massentourismus, die Einheimischen sind schon lange weg.
Wollen wir das auch und wenn nicht, warum geht bei uns vieles genau in diese Richtung? Braucht es die eventbefeuerten Massenaufläufe und die sensationsheischende Übertechnisierung wirklich oder nur deshalb, weil wir mit Millionenbudgets genau diese Art „Naturerlebnis“bewerben? Nehmen wir der Natur nicht Reiz und Würde, wenn jeder schwindlige Plattfuß im gepolsterten Sitz auf den steilsten Grat gehievt wird? Und werden wir dadurch nicht zu Zauberlehrlingen, die Gefahr laufen, in der selbst heraufbeschworenen Flut unterzugehen?