Der Sunnawendhansl verglüht
Zur Jahresmitte finden sich im Land einzigartige Bräuche.
Das vergangene Wochenende führte uns mit zahlreichen Sonnwendfeuern zur Jahresmitte, die bei uns mit einzigartigen Bräuchen verbunden ist. Feuerbräuche zur Zeit der Sommerhöhe waren schon in vorchristlicher Zeit üblich, sollten der auf ihrem Höhepunkt stehenden Sonne Beistand leisten und die Wohltaten der Götter herabbeschwören.
Ein Überbleibsel finden wir im sogenannten Sunnawendhansl. Dabei handelt es sich um eine Strohpuppe, die noch heute in vielen Sonnwendfeuern verglüht. Wenn auch heute die Gepflogenheit weitverbreitet ist, den astronomischen Sonnwendtag zu begehen, so hat sich mancherorts der Johannistag – der 24. Juni – als Festtagsdatum und christlicher Brauch erhalten. Dieser wurde jedoch von der Kirche selbst lang bekämpft.
Aus dem Beginn des siebten Jahrhunderts ist uns vom heiligen Eligius überliefert: „Findet euch nicht zusammen zur Feier der Sonnenwende; keiner von euch sollte amTag des heiligen Johannes umdas Feuer tanzen oder springen oder Lieder singen; diese Lieder sind des Teufels.“Im Volksglauben galten ja besonders die Sonnenwenden als gefährliche Geisterzeit.
Amulette, die in mondhellen Nächtenangefertigtwurden, sollten vor Geistern schützen, Löwenzahn und Lorbeerblatt um einen Wolfszahn gewickelt und ähnliche ungeheuer wirksame Mittel sie vertreiben. Gegen gar manches Leiden blüht das Johan-
Bertl Göttl niskraut, das auf trockenen Hügeln sowie sonnigenWiesen und Holzschlägen zu finden ist. Der Volksmund kennt es als Hexenkraut, Unser Frau Bettstroh, als Färberkraut und Frauengliester, als Waldhopf, Jägerteufel und Sonnwendkraut.
Vielfältige Blumen und Kräuter finden sich auch in den farbenprächtigen Prangstangen des Lungaus, in den Gemeinden Zederhaus undMuhr. Eng verwandt mit dem Maibaum in seiner ursprünglichen Bedeutung als Lebensbaumsymbol, werden sie in feierlicher Prozession durch den Ort getragen. Bis zu 150 Meter lang sind die Girlanden der „Sunnawendla“, auf den Bergmähdern blühende Margeriten, die kunstvoll auf die Stangen aufgewickelt werden. Im Pongau sind diese sechs bis acht Meter hohen, am oberen Ende gebogenen Stangen mit Wollfäden umwickelt, im Lungau sind die Prangstangen ganz mit frischen Blumenornamenten umwunden.
Die Stangen bleiben bis zum „Hohen Frautag“– dem 15. August – in der Kirche stehen, die Blumen werden dann abgenommen, als Weihkräuter aufbewahrt und im Winter zum Räuchern verwendet. InMuhr ist der kommende Prangtag zu Peter und Paul (29. Juni) ein doppeltes Erlebnis, da nach den prächtigen Prangstangen auch der Samson seine Aufwartung macht.
Dieser Samson ist fünf Meter hoch, 75 Kilogramm schwer und erfreut die Besucher mit einem milden Lächeln. Seit dem späten Mittelalter war es in den katholischen Ländern Europas Sitte, in die Prozessionen verschiedene Gestalten aus der biblischen Geschichte einzubeziehen: Adam und Eva, Goliath mit dem kleinen David und Samson, der die Philister schlug.