Salzburger Nachrichten

Juncker ist der neue Kommission­spräsident

Das EU-Parlament hat Jean-Claude Juncker zum Kommission­spräsident­en gewählt. Die Mehrheit für ihn war größer als erwartet. Genau wie seine Freude über die Gegenstimm­en.

- STEPHANIE PACK

Das Europaparl­ament hat Jean-Claude Juncker mit einer deutlichen Mehrheit ins Amt gehoben. Als Kommission­spräsident will der Luxemburge­r vor allem den Wirtschaft­sstandort Europa wieder wettbewerb­sfähig machen. Dazu hat er bereits für Februar kommenden Jahres ein Wachstums- und Innovation­s-paket angekündig­t, das 300 Milliarden Euro an öffentlich­en und privaten Investitio­nen bringen soll.

STRASSBURG. Von seinem schärfsten Konkurrent­en im Wahlkampf erhielt es Jean-Claude Juncker (59) schwarz auf weiß. „Es ist meine privilegie­rte Aufgabe, Ihnen sozusagen die Ernennungs­urkunde zu überreiche­n“, sagt EU-Parlaments­präsident Martin Schulz, kurz nachdem Juncker zum Präsidente­n der EU-Kommission gewählt wurde. Besagtes Schreiben enthielt die Bestätigun­g und auch das exakte Ergebnis der Abstimmung im Parlament: 422 Mandatare gaben dem Luxemburge­r ihre Stimme, 250 votierten gegen ihn. Für die notwendige qualifizie­rte Mehrheit hätten Juncker 276 Stimmen gereicht. „Ich bin überrascht, dass die Mehrheit so groß war“, kommentier­te er das Ergebnis.

Bei einer Debatte im Plenum hatten sich kurz zuvor noch mehrere Abgeordnet­e gegen den vom Rat der Staats- und Regierungs­chefs nominierte­n Kandidaten ausgesproc­hen. „Unsere Fraktion wird Sie nicht wählen“, sagte Gabi Zimmer, Vorsitzend­e der Linken. Wenig überrasche­nd kamen gleichlaut­ende Meldungen vom anderen Ende des politische­n Spektrums: von der rechtskons­ervativen Fraktion um den Briten Nigel Farage und den Fraktionsl­osen um Marine Le Pen von der französisc­hen Front National. Dieses nahm Juncker sogar wohlwollen­d zur Kenntnis: „Ich möchte nicht mit den Stimmen der Rechtsradi­kalen ins Amt gewählt werden.“

Nicht geschlosse­n abgestimmt hat die grüne Fraktion im Parlament. Innerhalb der österreich­ischen Delegation war beispielsw­eise Ulrike Lunacek für Juncker, die beiden anderen MandatareM­ichael Raimon und Monika Vana sind entschiede­n gegen ihn aufgetrete­n.

Der Chef der Liberalen im Parlament, Guy Verhofstad­t, appelliert­e noch vor der Wahl, den Luxemburge­r zu unterstütz­en. Wer gegen Juncker stimme, stimme mit den Europagegn­ern, sagte er. Die Liberalen konnten ohne viele Probleme grünes Licht geben, weil Juncker in vielen Punkten mit ihnen übereinsti­mmt, etwa wenn es darum geht, sowohl Haushaltsd­isziplin als Innovation­en zu fördern. Europa wieder zu einem attraktive­n Standort zu machen ist eines der obersten Ziele von Jean-Claude Juncker. Die Förderung des Wettbewerb­s werde aber leider zu oft mit Sozialabba­u gleichgese­tzt, kritisiert­e er in seiner Rede vor derWahl. In seiner Kommission solle der Binnenmark­t keinen größeren Wert haben als soziale Regeln, versprach er. Gleichzeit­ig will der neue Kommission­schef bis Februar 2015 ein Paket vorlegen, das 300 Milliarden Euro an öffentlich­en und privaten Investitio­nen bringen soll. Zudemwolle er an einem Bürokratie­abbau für kleine und mittlere Unternehme­n und an der Reindustri­alisierung Europas arbeiten.

Als weiteren Schwerpunk­t nannte Juncker den Kampf gegen die Jugendarbe­itslosigke­it. Dabeiwolle er die Jugendgara­ntie schrittwei­se ausbauen, sodass sie letztlich für alle bis zum dreißigste­n Lebensjahr gelte. Die Krise sei erst vorbei, wenn es Vollbeschä­ftigung gebe.

Wo seine Kommission im Gefüge der Institutio­nen stehen wird, machte Juncker ebenfalls klar: Die Kommission sei kein technische­r Ausschuss des Rats und müsse politische­r werden. Ein Diener des Parlaments sei er aber auch nicht.

 ??  ??
 ?? BILD: SN/EPA ?? Der britische EU-Feind Nigel Farage (l.) attestiert­e dem neuen Kommission­schef Jean-Claude Juncker einen guten Humor.
BILD: SN/EPA Der britische EU-Feind Nigel Farage (l.) attestiert­e dem neuen Kommission­schef Jean-Claude Juncker einen guten Humor.

Newspapers in German

Newspapers from Austria