Juncker ist der neue Kommissionspräsident
Das EU-Parlament hat Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten gewählt. Die Mehrheit für ihn war größer als erwartet. Genau wie seine Freude über die Gegenstimmen.
Das Europaparlament hat Jean-Claude Juncker mit einer deutlichen Mehrheit ins Amt gehoben. Als Kommissionspräsident will der Luxemburger vor allem den Wirtschaftsstandort Europa wieder wettbewerbsfähig machen. Dazu hat er bereits für Februar kommenden Jahres ein Wachstums- und Innovations-paket angekündigt, das 300 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen bringen soll.
STRASSBURG. Von seinem schärfsten Konkurrenten im Wahlkampf erhielt es Jean-Claude Juncker (59) schwarz auf weiß. „Es ist meine privilegierte Aufgabe, Ihnen sozusagen die Ernennungsurkunde zu überreichen“, sagt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, kurz nachdem Juncker zum Präsidenten der EU-Kommission gewählt wurde. Besagtes Schreiben enthielt die Bestätigung und auch das exakte Ergebnis der Abstimmung im Parlament: 422 Mandatare gaben dem Luxemburger ihre Stimme, 250 votierten gegen ihn. Für die notwendige qualifizierte Mehrheit hätten Juncker 276 Stimmen gereicht. „Ich bin überrascht, dass die Mehrheit so groß war“, kommentierte er das Ergebnis.
Bei einer Debatte im Plenum hatten sich kurz zuvor noch mehrere Abgeordnete gegen den vom Rat der Staats- und Regierungschefs nominierten Kandidaten ausgesprochen. „Unsere Fraktion wird Sie nicht wählen“, sagte Gabi Zimmer, Vorsitzende der Linken. Wenig überraschend kamen gleichlautende Meldungen vom anderen Ende des politischen Spektrums: von der rechtskonservativen Fraktion um den Briten Nigel Farage und den Fraktionslosen um Marine Le Pen von der französischen Front National. Dieses nahm Juncker sogar wohlwollend zur Kenntnis: „Ich möchte nicht mit den Stimmen der Rechtsradikalen ins Amt gewählt werden.“
Nicht geschlossen abgestimmt hat die grüne Fraktion im Parlament. Innerhalb der österreichischen Delegation war beispielsweise Ulrike Lunacek für Juncker, die beiden anderen MandatareMichael Raimon und Monika Vana sind entschieden gegen ihn aufgetreten.
Der Chef der Liberalen im Parlament, Guy Verhofstadt, appellierte noch vor der Wahl, den Luxemburger zu unterstützen. Wer gegen Juncker stimme, stimme mit den Europagegnern, sagte er. Die Liberalen konnten ohne viele Probleme grünes Licht geben, weil Juncker in vielen Punkten mit ihnen übereinstimmt, etwa wenn es darum geht, sowohl Haushaltsdisziplin als Innovationen zu fördern. Europa wieder zu einem attraktiven Standort zu machen ist eines der obersten Ziele von Jean-Claude Juncker. Die Förderung des Wettbewerbs werde aber leider zu oft mit Sozialabbau gleichgesetzt, kritisierte er in seiner Rede vor derWahl. In seiner Kommission solle der Binnenmarkt keinen größeren Wert haben als soziale Regeln, versprach er. Gleichzeitig will der neue Kommissionschef bis Februar 2015 ein Paket vorlegen, das 300 Milliarden Euro an öffentlichen und privaten Investitionen bringen soll. Zudemwolle er an einem Bürokratieabbau für kleine und mittlere Unternehmen und an der Reindustrialisierung Europas arbeiten.
Als weiteren Schwerpunkt nannte Juncker den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Dabeiwolle er die Jugendgarantie schrittweise ausbauen, sodass sie letztlich für alle bis zum dreißigsten Lebensjahr gelte. Die Krise sei erst vorbei, wenn es Vollbeschäftigung gebe.
Wo seine Kommission im Gefüge der Institutionen stehen wird, machte Juncker ebenfalls klar: Die Kommission sei kein technischer Ausschuss des Rats und müsse politischer werden. Ein Diener des Parlaments sei er aber auch nicht.