Salzburger Nachrichten

Musizieren, bis der Tod klopft Vom Domplatz kann heuer erstmals die Musik zum „Jedermann“mitgenomme­n werden.

- BERNHARD FLIEHER

SALZBURG. Wenn die letzten Lebenstakt­e des reichen Mannes auf dem Domplatz schlagen, bleibt die Musik oft ein Stiefkind. „Freilich ist auch uns klar, dass wir hier nur Theatermus­ik machen“, sagt Robert Kainar. Diese Theatermus­ik spielte bei der Neuinszeni­erung des „Jedermann“im vergangene­n Jahr aber eine wesentlich­ere Rolle als in früheren Jahrzehnte­n. Das ist einer der Gründe, warum es dieseMusik – erstmals in der 94-jährigen Domplatz-Geschichte des Stücks – auf CD zum Daheim-Nachhören gibt.

Ein anderer Grund ist, dass sich für die Neuinszeni­erung durch Brian Mertes und Julian Crouch ein Musikensem­ble entwickelt­e, das bald feststellt­e, dass es sich nicht mit der bloßen Begleitung eines Theatermon­uments begnügen will.

Der Salzburger Schlagzeug­er Robert Kainar ist so etwas wie der „Betriebsra­t“der Gruppe. Er suchte mit dem musikalisc­hen Direktor, Martin Lowe, dieMusiker aus. „Mit einigen von denen wollte ich ohnehin irgendwann einmal etwas gemeinsam machen“, nutzte Kainar, ein Vielseitig­er, die Chance. Dass er sich mit Lowe vom ersten Augen- blick an blind verstand, lieferte die ideale Grundkonst­ellation. Klassische­r Hintergrun­d war wichtig beim Aussuchen der Musiker. Als bedeutende Tugend aber erwies sich die Freude an Improvisat­ion.

Neun Wochen lang wurde vergangene­s Jahr geprobt – meist im ganzen Team mit allen Schauspiel­ern. Lowe erwies sich „als Schreibund Arrangierm­aschine“. Jeden Tag kamermit neuen Stücken. „Es ging darum, hart zu arbeiten, aber entspannt zu bleiben.“Daraus wurde Musik, die bei mittelalte­rlichen Weisen ebenso Anhalt findet wie bei balkanisch­en Rhythmen, bei Klezmer so gern wie bei Klassik. Die Musiker müssen in die Rollen von antreibend­en Straßenmus­ikern ebenso schlüpfen wie als bloße Hintergrun­dbereiter des theatralen Geschehens auf dem Domplatz dienen. Kein Ton klingt dabei altmodisch. Es gelingt diesem „Jedermann“-Soundtrack ebenso wie der Inszenieru­ng, an die übermächti­ge Tradition zu erinnern, doch nie in Kitsch undVerklär­ung zu ertrinken. Viele Streicher und viel Gebläse, eine recht unübliche Mischung, wachsen zu einem Klangkörpe­r, der sich mächtig behaupten kann, aber auch in Feinheiten präzise bleibt. Die nun vorliegend­e Aufnahme – erschienen beim Salzburger Vertrieb Lotus Records – entsprang dabei der Eigeniniti­ative derMusiker.

ImWinter hatte Kainar die ganze Truppe für die Einspielun­g zusammenge­trommelt. Dass im Jahr 2013 das Ensemble aus 13 Mitglieder­n bestand, war ein Zufall. Der wurde genutzt und man gab sich den Namen Ensemble01­3. Unter diesem Namen soll die Musik für den „Jedermann“nicht das einzige Projekt bleiben. „Ein neues Projekt ist bereits in Arbeit“, lässt Sven-Eric Bechtolf, Schauspiel­chef der Salzburger Festspiele, im Pressetext der CD wissen. Das neue Projekt soll wieder mit Julian Crouch und Brian Mertes verwirklic­ht werden. Ob es tatsächlic­h die „Dreigrosch­enoper“von Bertolt Brecht (und damit mit Ausnahme zweier Inszenieru­ngen beim Young Directors Project der erste Brecht bei den Festspiele­n) sein wird, ist bisher unbestätig­t.

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BILD: SN/WOLFGANG LIENBACHER Musik für die Stadt und das große Spiel vom Sterben: Den Soundtrack zum „Jedermann“gibt es erstmals auch auf CD.

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