Schuldsprüche im Giftmord-Prozess
.Wurde eine Frau von ihrem Ehemann und dessen Freundin in Paraguay getötet? Ja, befanden die Geschworenen im Indizienprozess.
In einem der wohl spektakulärsten Indizienprozesse in jüngerer Zeit fiel am späten Dienstagabend am Landesgericht Wiener Neustadt das Urteil: Nach mehrstündigen Beratungen sprach ein Geschworenengericht einen 55jährigen Niederösterreicher und seine tatsächlichen Partnerin (47) des Giftmordes schuldig. DieAnklage hatte den beiden vorgeworfen, im September 2011, während eines Urlaubs zu dritt in Paraguay, die Ehefrau des 55-Jährigen mit einer Überdosis des SchmerzmittelsHydromorphin vergiftet zu haben. Besagtes Mittel muss der Angeklagte den Ermittlungen zufolge wegen eines Krebsleidens einnehmen.
Der Prozess hatte Anfang Juni begonnen. AmDienstag wurde der gerichtsmedizinische Gutachter Wolfgang Denk gehört. Denk betonte zwar, das eine „Intoxikation mit Hydromorphin diewahrscheinliche Todesursache“sei, umdann aber zu relativieren: „Es gibt keinen Beweis, sondern nur Hinweise“auf einen gewaltsamen Tod der Ehefrau. Nachsatz: „Ein exakter Rückschluss ist nicht möglich.“
Die Untersuchungen in Paraguay nach dem Tod der Frau und nach ihrer dortigen Exhumierung wurden schlampig durchgeführt: Bloß acht Gramm Muskelgewebe wurden den österreichischen Forensikern nach der Exhumierung zur Analyse übermittelt. „Kein klarer Befund ist möglich, man kann aber auch eine Vergiftung nicht ausschließen“, lautet die Erkenntnis eines heimischen forensischen Chemikers.
„Ein exakter Rückschluss auf die Todesursache ist nicht möglich.“
Wolfgang Denk, Gerichtsmediziner
Auf allzu festen Beinen stand die Anklage offenbar nicht: Die Verteidiger (Michael Dohr, Ahmed Amir, Hans-Christian Leiningen-Westerburg) fuhren jedenfalls mit schweren Geschützen auf. Sie brachten Michael Tsokos, Experte der renommierten Klinik Charité in Berlin, als Privatgutachter mit, der die Anklage bzw. die gerichtlich beigezogenen Gutachter nicht gut dastehen ließ. So gab es zwischen den Berechnungen von Denk und Tsokos enorme Differenzen: Laut Denk sind vier Tabletten, derenWirkstoff man in dem Muskelgewebe der Toten nachweisen konnte, bereits töd- lich. „Manmüsstemindestens 30 Tabletten (mit dem Wirkstoff Hydal, Anm.) zu je 4 mg einnehmen, umeine sichere letale Dosis zu erwirken“, konterte Tsokos.
Auch andere Unstimmigkeiten fielen im Akt auf. Demnach war immer die Rede davon, dass die Verstorbene am Down-Syndrom gelitten habe. Laut Gerichtsmediziner fanden sich aber in der ihm jetzt übermittelten Krankengeschichte der Frau keinerlei Hinweise darauf.
Die Staatsanwältin hielt in ihremSchlussplädoyer an der Indizienkette fest: Die Ehe zwischen dem Angeklagten und dem späteren Opfer sei eine reine Scheinehe gewesen. Er habe sie nur ausgenutzt. Die 46-Jährige habe sterben müssen, weil die beiden Angeklagten an zwei Bausparverträge in der Höhe von 80.000 Euro kommen wollten. Dieser Auffassung schlossen sich die Geschworenen ohne Gegenstimme an.
Die Verteidigerriege hatte die Anklage als „erschütternd“bezeichnet. Sie beruhe nur auf Annahmen“. Es gebe keine Beweise, dass die 46-Jährige Opfer eines Giftmordes geworden sei.