Ein junger Salzburger nimmt den Kampf auf
Seit drei Jahren legt sich der junge Salzburger Max Schrems mit dem US-Internetriesen an.
Über 50.000Menschen sind seinemAufruf gefolgt und haben sich seiner Sammelklage angeschlossen. Doch was treibtMax Schrems in seinemKampf gegen Facebook an? Woher nimmt der erst 26-jährige Salzburger denMut, esmitdemgrößten sozialen Netzwerk imInternet aufzunehmen?
WIEN. Max Schrems ist einiges an Rummel um seine Person gewohnt. Als der heute 26-jährige Salzburger vor fast drei Jahren seinen Kampf gegen Facebook begonnen hat, haben sich alle internationalen Medien um ihn gerissen. CNN, BBC, Reuters, „Le Monde“die „New York Times“, sogar „Al Dschasira“– alle wollten mit dem Jusstudenten sprechen, der sich gegen das größte soziale Netzwerk derWelt erhebt.
Auch jetzt läutet Schrems’ Handy wieder unentwegt. Vor eineinhalb Wochen hat Schrems die erste Sammelklage in Europa gegen Facebook
„Facebook schert sich nicht.“
Max Schrems,
Datenschützer
eingebracht. Und sie hat eingeschlagen wie eine Bombe. Bereits über 50.000Menschen sind seinem Aufruf gefolgt und haben sich ihm angeschlossen. Pro Tag kommen ein paar Tausend dazu. Macht hochgerechnet eine Klagesumme von derzeit 25 Mill. Euro, nachdem Schrems pro Kopf 500 Euro vor dem Wiener Landesgericht dafür fordert, dass sich das größte soziale Netzwerk der Welt nicht an den europäischen Datenschutz hält.
Mit so vielen Leuten habe nicht einmal er gerechnet. „Ich weiß gar nicht, wie ich hinterherkommen und die vielen Abtretungserklärungen und E-Mails aufarbeiten soll“, sagt er. Dabei verdiene Schrems keinen Cent daran, wie er betont. Und berühmt werden habe er nie wollen. Mit David-gegen-GoliathVergleichen, die Medien gern anstrengten, fange er deshalb überhaupt nichts an. „Mir geht es darum, dass sich eine ganze Industrie nicht um Grundrechte schert und wir Nutzer bisher außer meckern nicht viel tun“, sagt er.
Deshalb wird Schrems nicht müde, darauf hinzuweisen, dass seine Plattform „europe-vs-facebook“ein Gemeinschaftsprojekt ist. Nicht er allein, sondern eine ganze Gruppe von (ehemaligen) Jusstudenten, denen Datenschutz ein echtes Anlie- gen ist, brachten seit Sommer 2011 insgesamt 22 Anzeigen bei der irischen Datenschutzbehörde ein.
Allerdings hat Schrems gelernt, dass sich die Schlagzeile „Max gegen Mark“besser verkauft als die, dass eine namenlose Gruppe gegen Mark Zuckerbergs Internetriesen losschlägt. Deshalb sträubt er sich nicht mehr dagegen, seinen Namen und sein Gesicht für den Kampf gegen Facebook herzugeben. Gern fotografieren lässt er sich jedoch bis heute nicht. „Nein, es gibt eh genug Fotos im Netz“, lehnt Schrems die Bitte ab, sich für diesen Artikel ablichten zu lassen.
Dafür erzählt Schrems umso bereitwilliger, wie es überhaupt zu den Datenschutzanzeigen gegen Facebook kam. Auslöser war ein Auslandssemester an der Privatuni Santa Clara in Silicon Valley in den USA. „Ein Vertreter von Facebook hat uns das europäische Datenschutzrecht erklärt. Er hat es so hingestellt, dass man sich eh nicht daran halten müsse. Im Kern sagten die, dass Europäer eh süß sind mit ihren Grundrechten, aber dass nichts passiert, wenn man sie bricht.“Als US-Unternehmen, das eine Tochterfirma in Irland habe, müsste Facebook mit dem europäischen Datenschutz vertraut sein.
Zurück in Österreich wollte Schrems die Probe aufs Exempel machen. Er ließ sich all seine gespeicherten Daten von Facebook schicken – 1222 Seiten an Pinnwandeinträgen, Fotos, Namen ehemaliger Freunde, Chatmeldungen, Nachrichten. Dieses Recht steht allenNutzern des sozialenNetzwerks zu. Schrems staunte nicht schlecht, als er Daten fand, die er längst gelöscht hatte. „Bis heute verstehe ich nicht, warum die so blöd waren. Sie hätten sich viel Ärger erspart, wären die gelöschten Daten nicht dabei gewesen“, sagt er heute dazu.
Facebook hätte dann wohl keine Armada von Anwälten für das Verfahren vor der irischen Datenschutzbehörde einschalten müssen, das seit fast drei Jahren läuft. Auch die jetzige Sammelklage hätte Schrems wohl kaum erhoben, hätte er aus seinen Unterlagen nicht erfahren, wie Facebook mit persönlichen Daten umgeht. Ohne die und den Enthüllungen von Edward Snowden wäre er vielleicht auch nicht auf die Idee gekommen, Facebook wegen potenzieller Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA anzuzeigen. Dieser Fall liegt mittlerweile beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Sein Buch, „Kämpf um deine Daten“, das Ende Mai erschien, hätte Schrems ohne seine Auseinandersetzungen mit Facebook auch sicher nicht verfasst.
Doch was treibt Schrems eigentlich an? Woher nimmt er den Mut, es mit dem US-Internetgiganten Facebook aufzunehmen? „Mir geht es um die entscheidende Frage, ob wir Rechte nur auf dem Papier haben oder sie auch durchsetzen können“, sagt er. Und dieser Rechtssinn war es wohl auch, der ihn dazu bewog, es nach seiner Matura am BRG Salzburg seiner Mutter und seinem Ziehvater gleichzutun und Jus zu studieren. Seit 2012 ist Schrems Magister. Im Herbst hofft er, endlich die Zeit zu finden, um seine Doktorarbeit zu beenden. Sie wird sich – wenig überraschend – umDatenschutz drehen.
Nur in die Politik will Schrems nicht so schnell gehen, obwohl ihn die Arbeit auf EU-Ebene in Brüssel durchaus reizen würde. „Das Problem ist, dass du als Politiker für jede Kleinigkeit – jeden Mistkübel, der irgendwo steht – verantwortlich bist“, findet er.
Jetzt, wo die Sammelklage draußen ist, möchte Schrems erst einmal auf Urlaub gehen: Geplant ist entweder eine Rundreise durch Tschechien, das Baltikum und Polen oder ein Besuch bei seiner Gastfamilie in Florida, wo er ein Jahr als Austauschschüler verbrachte. Hauptsache raus aus dem Wien, mit dem ihn eine „Hassliebe“verbinde. „Auf der einen Seite bin ich froh, hier inWien zu leben, weil sich hier alles abspielt und es eine wahnsinnig gemütliche Stadt ist. Das Einzige, das mir fehlt, sind kommunikative Leute. Wenn man in Wien freundlich ist, wird man nicht selten komisch angeschaut“, klagt Schrems.
In Salzburg sei das ganz anders. Dort gebe es auch Berge und echte Seen, nicht nur die Alte Donau.