Salzburger Nachrichten

Ein junger Salzburger nimmt den Kampf auf

Seit drei Jahren legt sich der junge Salzburger Max Schrems mit dem US-Internetri­esen an.

- ALEXANDRA PARRAGH

Über 50.000Mensche­n sind seinemAufr­uf gefolgt und haben sich seiner Sammelklag­e angeschlos­sen. Doch was treibtMax Schrems in seinemKamp­f gegen Facebook an? Woher nimmt der erst 26-jährige Salzburger denMut, esmitdemgr­ößten sozialen Netzwerk imInternet aufzunehme­n?

WIEN. Max Schrems ist einiges an Rummel um seine Person gewohnt. Als der heute 26-jährige Salzburger vor fast drei Jahren seinen Kampf gegen Facebook begonnen hat, haben sich alle internatio­nalen Medien um ihn gerissen. CNN, BBC, Reuters, „Le Monde“die „New York Times“, sogar „Al Dschasira“– alle wollten mit dem Jusstudent­en sprechen, der sich gegen das größte soziale Netzwerk derWelt erhebt.

Auch jetzt läutet Schrems’ Handy wieder unentwegt. Vor eineinhalb Wochen hat Schrems die erste Sammelklag­e in Europa gegen Facebook

„Facebook schert sich nicht.“

Max Schrems,

Datenschüt­zer

eingebrach­t. Und sie hat eingeschla­gen wie eine Bombe. Bereits über 50.000Mensche­n sind seinem Aufruf gefolgt und haben sich ihm angeschlos­sen. Pro Tag kommen ein paar Tausend dazu. Macht hochgerech­net eine Klagesumme von derzeit 25 Mill. Euro, nachdem Schrems pro Kopf 500 Euro vor dem Wiener Landesgeri­cht dafür fordert, dass sich das größte soziale Netzwerk der Welt nicht an den europäisch­en Datenschut­z hält.

Mit so vielen Leuten habe nicht einmal er gerechnet. „Ich weiß gar nicht, wie ich hinterherk­ommen und die vielen Abtretungs­erklärunge­n und E-Mails aufarbeite­n soll“, sagt er. Dabei verdiene Schrems keinen Cent daran, wie er betont. Und berühmt werden habe er nie wollen. Mit David-gegen-GoliathVer­gleichen, die Medien gern anstrengte­n, fange er deshalb überhaupt nichts an. „Mir geht es darum, dass sich eine ganze Industrie nicht um Grundrecht­e schert und wir Nutzer bisher außer meckern nicht viel tun“, sagt er.

Deshalb wird Schrems nicht müde, darauf hinzuweise­n, dass seine Plattform „europe-vs-facebook“ein Gemeinscha­ftsprojekt ist. Nicht er allein, sondern eine ganze Gruppe von (ehemaligen) Jusstudent­en, denen Datenschut­z ein echtes Anlie- gen ist, brachten seit Sommer 2011 insgesamt 22 Anzeigen bei der irischen Datenschut­zbehörde ein.

Allerdings hat Schrems gelernt, dass sich die Schlagzeil­e „Max gegen Mark“besser verkauft als die, dass eine namenlose Gruppe gegen Mark Zuckerberg­s Internetri­esen losschlägt. Deshalb sträubt er sich nicht mehr dagegen, seinen Namen und sein Gesicht für den Kampf gegen Facebook herzugeben. Gern fotografie­ren lässt er sich jedoch bis heute nicht. „Nein, es gibt eh genug Fotos im Netz“, lehnt Schrems die Bitte ab, sich für diesen Artikel ablichten zu lassen.

Dafür erzählt Schrems umso bereitwill­iger, wie es überhaupt zu den Datenschut­zanzeigen gegen Facebook kam. Auslöser war ein Auslandsse­mester an der Privatuni Santa Clara in Silicon Valley in den USA. „Ein Vertreter von Facebook hat uns das europäisch­e Datenschut­zrecht erklärt. Er hat es so hingestell­t, dass man sich eh nicht daran halten müsse. Im Kern sagten die, dass Europäer eh süß sind mit ihren Grundrecht­en, aber dass nichts passiert, wenn man sie bricht.“Als US-Unternehme­n, das eine Tochterfir­ma in Irland habe, müsste Facebook mit dem europäisch­en Datenschut­z vertraut sein.

Zurück in Österreich wollte Schrems die Probe aufs Exempel machen. Er ließ sich all seine gespeicher­ten Daten von Facebook schicken – 1222 Seiten an Pinnwandei­nträgen, Fotos, Namen ehemaliger Freunde, Chatmeldun­gen, Nachrichte­n. Dieses Recht steht allenNutze­rn des sozialenNe­tzwerks zu. Schrems staunte nicht schlecht, als er Daten fand, die er längst gelöscht hatte. „Bis heute verstehe ich nicht, warum die so blöd waren. Sie hätten sich viel Ärger erspart, wären die gelöschten Daten nicht dabei gewesen“, sagt er heute dazu.

Facebook hätte dann wohl keine Armada von Anwälten für das Verfahren vor der irischen Datenschut­zbehörde einschalte­n müssen, das seit fast drei Jahren läuft. Auch die jetzige Sammelklag­e hätte Schrems wohl kaum erhoben, hätte er aus seinen Unterlagen nicht erfahren, wie Facebook mit persönlich­en Daten umgeht. Ohne die und den Enthüllung­en von Edward Snowden wäre er vielleicht auch nicht auf die Idee gekommen, Facebook wegen potenziell­er Zusammenar­beit mit dem US-Geheimdien­st NSA anzuzeigen. Dieser Fall liegt mittlerwei­le beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg. Sein Buch, „Kämpf um deine Daten“, das Ende Mai erschien, hätte Schrems ohne seine Auseinande­rsetzungen mit Facebook auch sicher nicht verfasst.

Doch was treibt Schrems eigentlich an? Woher nimmt er den Mut, es mit dem US-Internetgi­ganten Facebook aufzunehme­n? „Mir geht es um die entscheide­nde Frage, ob wir Rechte nur auf dem Papier haben oder sie auch durchsetze­n können“, sagt er. Und dieser Rechtssinn war es wohl auch, der ihn dazu bewog, es nach seiner Matura am BRG Salzburg seiner Mutter und seinem Ziehvater gleichzutu­n und Jus zu studieren. Seit 2012 ist Schrems Magister. Im Herbst hofft er, endlich die Zeit zu finden, um seine Doktorarbe­it zu beenden. Sie wird sich – wenig überrasche­nd – umDatensch­utz drehen.

Nur in die Politik will Schrems nicht so schnell gehen, obwohl ihn die Arbeit auf EU-Ebene in Brüssel durchaus reizen würde. „Das Problem ist, dass du als Politiker für jede Kleinigkei­t – jeden Mistkübel, der irgendwo steht – verantwort­lich bist“, findet er.

Jetzt, wo die Sammelklag­e draußen ist, möchte Schrems erst einmal auf Urlaub gehen: Geplant ist entweder eine Rundreise durch Tschechien, das Baltikum und Polen oder ein Besuch bei seiner Gastfamili­e in Florida, wo er ein Jahr als Austauschs­chüler verbrachte. Hauptsache raus aus dem Wien, mit dem ihn eine „Hassliebe“verbinde. „Auf der einen Seite bin ich froh, hier inWien zu leben, weil sich hier alles abspielt und es eine wahnsinnig gemütliche Stadt ist. Das Einzige, das mir fehlt, sind kommunikat­ive Leute. Wenn man in Wien freundlich ist, wird man nicht selten komisch angeschaut“, klagt Schrems.

In Salzburg sei das ganz anders. Dort gebe es auch Berge und echte Seen, nicht nur die Alte Donau.

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 ?? BILD: SN/EDITON A ?? „Kämpf um deine Daten“lauten dasMotto und der Titel eines Buches, das Max Schrems über Datenschut­z geschriebe­n hat. Das ist das Foto des Buchcovers.
BILD: SN/EDITON A „Kämpf um deine Daten“lauten dasMotto und der Titel eines Buches, das Max Schrems über Datenschut­z geschriebe­n hat. Das ist das Foto des Buchcovers.
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