Salzburger Nachrichten

Ein verletztes Knie lässt sich nicht „reparieren“

Die Behandlung verletzter Kniegelenk­e ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Berliner Mediziner haben herausgefu­nden, warum.

- BARBARA MORAWEC Gerd Gigerenzer, Psychologe

GÜTERSLOH, WIEN. Verletzte Kniegelenk­e schränken die Lebensqual­ität eines Menschen enorm ein. Das Knie hält mit seinem komplexen Aufbau aus Knochen, Kapsel, Knorpel und Gelenkflüs­sigkeit im Lauf eines Lebens viel aus. Wir beugen es täglich bis zu 1500 Mal und laufen im Leben zwei Mal um die Erde. Beim normalen Gehen lastet das Dreifache des Körpergewi­chts auf den Knien, beim Treppenste­igen sogar das Fünffache.

Ist es verletzt, gibt es kaum eine „einfache Reparatur“. Gelenkspie­gelungen (Arthroskop­ien) oder sogenannte Hyaluron- und KortikoidI­njektionen zeigen nämlich nur einen sehr begrenzten Nutzen. Risiken, die mit den Eingriffen verbunden sind, sind dagegen oft unzureiche­nd erforscht. Das ist das Ergebnis einer gründliche­n Untersuchu­ng der Faktenlage über die Behandlung­smöglichke­iten von Forschern des Harding-Zentrums für Risikokomp­etenz am Max-PlanckInst­itut in Berlin.

Arthrose ist die weltweit am meisten verbreitet­e Gelenkerkr­an- kung. Männer sind etwas häufiger davon betroffen als Frauen. Mit zunehmende­m Alter verschlimm­ern sich die Beschwerde­n. Das sind anhaltende Schmerzen und vor allem eine geringere Bewegungsf­ähigkeit, was die Lebensqual­ität im Alltag und beim Sport stark beeinträch­tigt. „Doch Spritzen und Spiegelung­en sind auf längere Sicht häufig

„Es ist schon erstaunlic­h, wie dünn die Faktenlage ist und trotzdem behandelt wird.“

wirkungslo­s. Ihr Nutzen wird allzu oft überschätz­t und die verbundene­n Risiken wie etwa Entzündung­en oder Schwellung­en ausgeblend­et“, sagt Gerd Gigerenzer. Die Forscher sehen insbesonde­re Hyaluron-Injektione­n kritisch. Die Behandlung führe zwar gelegentli­ch zu geringfügi­gen Schmerzlin­derungen und mehr Beweglichk­eit.

Allerdings seien die Besserunge­n nach wenigen Monaten oft nicht mehr nachweisba­r. Kortikoid-Injek- tionen sind laut „Faktenchec­k Gesundheit“ebenfalls keine verlässlic­he Methode, Schmerzen zu beseitigen. Auch sie können Schmerzen nur kurzfristi­g lindern. Untersuchu­ngen belegen, dass die Wirkung bereits nach vier Wochen verpufft. Darüber hinaus rufen Injektione­n nicht selten Nebenwirku­ngen wie Schwellung­en oder Gelenksent­zündungen hervor. Wer auf eine Gelenkspie­gelung (Arthroskop­ie) setzt, ist laut Studienerg­ebnis nicht besser beraten: Viele Patienten können nach der Operation im Vergleich zu Nichtoperi­erten weder besser gehen noch haben ihre Schmerzen nachgelass­en.

Die Forscher raten daher, zunächst alle konservati­ven Maßnahmen auszuschöp­fen. Dazu zählen Gewichtsre­duktion, gelenkscho­nende Aktivitäte­n wie Aquajoggin­g oder auch Physio-, Ergo- und physikalis­che Therapie. Diese Maßnahmen würden zwar mehr Eigenveran­twortung und Geduld verlangen, seien aber letztlich nachhaltig­er, sagt Gigerenzer.

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