Ein verletztes Knie lässt sich nicht „reparieren“
Die Behandlung verletzter Kniegelenke ist nicht immer von Erfolg gekrönt. Berliner Mediziner haben herausgefunden, warum.
GÜTERSLOH, WIEN. Verletzte Kniegelenke schränken die Lebensqualität eines Menschen enorm ein. Das Knie hält mit seinem komplexen Aufbau aus Knochen, Kapsel, Knorpel und Gelenkflüssigkeit im Lauf eines Lebens viel aus. Wir beugen es täglich bis zu 1500 Mal und laufen im Leben zwei Mal um die Erde. Beim normalen Gehen lastet das Dreifache des Körpergewichts auf den Knien, beim Treppensteigen sogar das Fünffache.
Ist es verletzt, gibt es kaum eine „einfache Reparatur“. Gelenkspiegelungen (Arthroskopien) oder sogenannte Hyaluron- und KortikoidInjektionen zeigen nämlich nur einen sehr begrenzten Nutzen. Risiken, die mit den Eingriffen verbunden sind, sind dagegen oft unzureichend erforscht. Das ist das Ergebnis einer gründlichen Untersuchung der Faktenlage über die Behandlungsmöglichkeiten von Forschern des Harding-Zentrums für Risikokompetenz am Max-PlanckInstitut in Berlin.
Arthrose ist die weltweit am meisten verbreitete Gelenkerkran- kung. Männer sind etwas häufiger davon betroffen als Frauen. Mit zunehmendem Alter verschlimmern sich die Beschwerden. Das sind anhaltende Schmerzen und vor allem eine geringere Bewegungsfähigkeit, was die Lebensqualität im Alltag und beim Sport stark beeinträchtigt. „Doch Spritzen und Spiegelungen sind auf längere Sicht häufig
„Es ist schon erstaunlich, wie dünn die Faktenlage ist und trotzdem behandelt wird.“
wirkungslos. Ihr Nutzen wird allzu oft überschätzt und die verbundenen Risiken wie etwa Entzündungen oder Schwellungen ausgeblendet“, sagt Gerd Gigerenzer. Die Forscher sehen insbesondere Hyaluron-Injektionen kritisch. Die Behandlung führe zwar gelegentlich zu geringfügigen Schmerzlinderungen und mehr Beweglichkeit.
Allerdings seien die Besserungen nach wenigen Monaten oft nicht mehr nachweisbar. Kortikoid-Injek- tionen sind laut „Faktencheck Gesundheit“ebenfalls keine verlässliche Methode, Schmerzen zu beseitigen. Auch sie können Schmerzen nur kurzfristig lindern. Untersuchungen belegen, dass die Wirkung bereits nach vier Wochen verpufft. Darüber hinaus rufen Injektionen nicht selten Nebenwirkungen wie Schwellungen oder Gelenksentzündungen hervor. Wer auf eine Gelenkspiegelung (Arthroskopie) setzt, ist laut Studienergebnis nicht besser beraten: Viele Patienten können nach der Operation im Vergleich zu Nichtoperierten weder besser gehen noch haben ihre Schmerzen nachgelassen.
Die Forscher raten daher, zunächst alle konservativen Maßnahmen auszuschöpfen. Dazu zählen Gewichtsreduktion, gelenkschonende Aktivitäten wie Aquajogging oder auch Physio-, Ergo- und physikalische Therapie. Diese Maßnahmen würden zwar mehr Eigenverantwortung und Geduld verlangen, seien aber letztlich nachhaltiger, sagt Gigerenzer.