Salzburger Nachrichten

Viel Lärm um wenig eigene Familienpo­litik

Was von Sophie Karmasins Ankündigun­gen bleibt, wenn man genauer hinschaut.

- Inge Baldinger INGE.BALDINGER@SALZBURG.COM

Sophie Karmasin will in der Familienfö­rderung Sachstatt Geldleistu­ngen in den Mittelpunk­t rücken. Diesen „Paradigmen­wechsel“in der ÖVP-Familienpo­litik habe sie bereits eingeleite­t, verkündete sie im Radio: Und zwar mit den 300 Millionen Euro, die bis 2018 in den Ausbau der Kindergart­enplätze gesteckt werden. Der Applaus kam umgehend: von Rot und Grün, aus der Gewerkscha­ft und der Industrie.

Bei allem Verständni­s dafür, dass Karmasin keine Gelegenhei­t auslassen will, sich als Kontrapunk­t zur bisher angeblich nur verzopften ÖVP-Familienpo­litik zu präsentier­en: Der Paradigmen­wechsel fand spätestens unter ihrem Vorgänger, Reinhold Mitterlehn­er, ebenfalls ÖVP, statt. Und zwar vor Jahren. Auf ihn gehen auch die Hunderten Millionen Euro zurück, die nun für die Kinderbetr­euung an die Länder fließen. Und auf ihn geht übrigens auch die Erhöhung der Familienbe­ihilfe zurück. Beides wurde in der letzten Legislatur­periode fixiert.

Karmasins Wirken beschränkt­e sich auf Details, etwa darauf, dass die Familienbe­ihilfe nicht auf einmal spürbar erhöht wird, sondern in drei Minischrit­ten, von denen zu bezweifeln ist, dass sie von den Eltern überhaupt wahrgenomm­en werden. Warum sie sich dafür entschied? Weil es aus Geldnot nicht anders ging. Weil sie auf einem Riesenschu­ldenberg namens Familienla­stenausgle­ichsfonds sitzt. Das führt direkt zu einer weiteren Merkwürdig­keit:

Karmasin will bei „zusätzlich­en“Mitteln für die Familien halbe-halbe machen, also die eine Hälfte in Geld-, die andere in Sachleistu­ngen stecken. Welche zusätzlich­en Mittel? Ist da was vom Himmel gefallen? Oder plant sie doch eine Umschichtu­ng von Geldzu Sachleistu­ngen, wie sich das die SPÖ so brennend wünscht? Was könnte da abgeschaff­t oder verkürzt werden? Steuerbegü­nstigungen, die längste Kindergeld­variante, die Elternteil­zeit? Das war am Dienstag nicht zu erfahren. Ob es Karmasin selbst weiß?

Es braucht in der Familienpo­litik eine vernünftig­e Mischung, das ist überhaupt keine Frage: Es braucht Geldleistu­ngen, es braucht Kinderbetr­euungsplät­ze, es braucht eine steuerlich­e Entlastung – siehe das vielgelobt­e Frankreich, wo Familien ab dem dritten Kind praktisch steuerbefr­eit sind. Und hoch an der Zeit wäre es, etwas weniger auf Krippenplä­tze für Kleinstkin­der zu starren und dafür mehr auf eine gescheite Betreuung für Schulkinde­r. Davon redet, wenn es um die Vereinbark­eit von Beruf und Familie geht, seltsamerw­eise keiner. Da fehlt es an allen Ecken und Enden. Da fängt der Stress wirklich an.

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