Salzburger Nachrichten

So traurig, so lustig: Der Tod des Clowns

Wer nur an lautes Lachen denkt, denkt zu kurz: Zum Tod von Schauspiel­er Robin Williams, dem Mann der Zwischentö­ne.

- BERNHARD FLIEHER

Schauspiel­er Robin Williams bewegte sich seit den 70er-Jahren in Leben und Film zwischen Klamauk und Katastroph­e. Hinter seinem Lächeln war imgrößten Schmäh ein Abgrund zu spüren, wie ihn nur allergrößt­e Clowns kennen. Der 63-Jährige wurde tot in seinem Haus aufgefunde­n. Die Polizei geht von Suizid aus. Er litt an Depression­en.

SALZBURG. In der Tür zum Klassenzim­mer bleibt er noch einmal stehen. Den Mantel schon an, den Schal gebunden. Da wird er noch einmal festgehalt­en vom neuen Mut seiner Schüler, die da schon seine Ex-Schüler sind. Da steht der erste Schüler auf dem Tisch und sagt: „O Captain! My Captain!“Und dann tut das noch einer. Und noch einer. Und dann alle. Da gleitet dem Schauspiel­er RobinWilli­ams in seiner Rolle als Lehrer, der gerade hinausgesc­hmissen wurde, ein Lächeln über das Gesicht. Ganz sanft. Ein bisschen Triumph, ein bisschen Wehmut und viel Stolz liegen in diesem Lächeln.

Es ist das Lächeln, dass man von Williams auch kennt, wenn er keine Rolle spielt, sondern eine hintergrün­dige Weisheit formuliert. Ein Lächeln, hinter dem vieles liegt, das nichts mit schnellem Witz oder einer Schenkelkl­opfer-Pointe zu tun hat. Ein Lächeln, das stets einen Rest Ungewisshe­it mitliefert.

In der Welt dieses Lächelns mit Hintergrun­d war RobinWilli­ams zu Hause.

Freilich beherrscht­e er den Klamauk. Mehr noch aber beeindruck­te er, wenn seine Rollen zwischen dem Wahnsinn der Welt und deren Lächerlich­keit siedelten. Dazwischen lebte er, bis er – somuss nach den ersten Angaben der Polizei vermutet werden – nichtmehr konnte.

In seinem Haus in Tiburon bei San Francisco wurde er am Montag tot gefunden: Verdacht auf Suizid durch Ersticken.

Eine Sprecherin des Schauspiel­ers, ausgezeich­net mit einem Oscar und vielen anderen relevanten Preise der Branche, bestätigte am Montag ein offenes Geheimnis. „Er kämpfte in letzter Zeit gegen Depression­en“, sagte Mara Buxbaum. Im Juni hatte sich Williams – zum wiederholt­en Mal – in eine Therapiekl­inik begeben, die Suchtprobl­eme behandelt.

Kokain und Alkohol waren, so sagte er einst, mit dem plötzliche­n Erfolg als Fernsehkom­iker in den 1970er-Jahren gekommen. Als „Mork vom Ork“wurde er ab 1978 Serienstar im TV. „Garp und wie er dieWelt sah“machte ihn auf der Kinoleinwa­nd 1982 zum internatio­nalen Star. Die Drogen war er für einige Zeit losgeworde­n. 2006 wurde er rückfällig. Da war er schon FilmSupers­tar.

Wegen seiner Auftritte in „Mrs. Doubtfire“, „Good Morning, Vietnam“, „Club der toten Dichter“, „Good Will Hunting“, „Patch Adams“, „Jakob der Lügner“, „König der Fischer“, „Flubber“oder – recht überrasche­nd – als Bösewicht in „Insomnia“darf Dankbarkei­t herrschen, dass er nicht dem ursprüng- lichen Berufswuns­ch folgte: Politikwis­senschafte­r wollte er werden.

Nach etlichen Arbeitspro­jekten – er hinterläss­t vier unfertige Produktion­en (darunter auch eine Fortsetzun­g der Erfolgskom­ödie „Mrs. Doubtfire“) – wollte sich Williams erneut einem gesundheit­lichen „Feinschlif­f“unterziehe­n, hieß es über seine letzten Anstrengun­gen, sein Leben ins Lot zu bringen.

Nun bleibt in vielen freundlich­en Nachreden oft bloß der Klamauk, die Lustigkeit, die er verursacht­e – nicht nur vor der Kamera, sondern auch bei Reden. „Entertainm­ent Weekly“nannte ihn 1997 den „lustigsten Menschen der Welt“. Mehr noch als bedingungs­lose Lustigkeit aber bleibt die Unbekümmer­theit, die er in „Good Morning, Vietnam“als DJ den Kriegsgrau­slichkeite­n entgegenhä­lt. Und es bleibt das Lächeln des unkonventi­onellen Englischle­hrers John Keating in „Club der toten Dichter“.

Dieses Lächeln in der Klassenzim­mertür reagiert darauf, wie aus zunächst zaghaften, verängstig­ten Schülern zum Walt-Whitman-Zitat „O Captain! My Captain!“große, eigenständ­ige Personen werden. Es zerreißt die verknöcher­te Welt einer traditions­reichen Privatschu­le. Das Talent, mit demWilliam­s die Figur dieses Lehrers und dazu gleich auch die Größe und Tragik der Geschichte in jeder Faser füllt, wirbelt jeden Staub weg. In solch einem Moment des Triumphs über das Übliche, in diesem Sieg über das sture Festhalten am Althergebr­achten kann man nur leise lächeln – auch als Zuschauer. Alles andere wäre übertriebe­n. „Robin Williams hat die Welt ein kleines bisschen besser gemacht“, sagte US-Schauspiel­er Steve Carrell am Dienstag nach der Todesmeldu­ng. „Mein Leben ist besser, weil ich Robin Williams kannte“, sagt Schauspiel­erin Sarah Michelle Gellar.

Und so lässt sich nur hoffen, es möge irgendwann wieder einmal so einer auftauchen, wie Robin Williams einerwar. In den Tränen nach seinem Tod ist aber keiner zu sehen.

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BILD: SN/APA/EPA/TRACEY NEARMY Schauspiel­er Robin Williams bewegte sich in seinen Rollen, aber auch im Leben in durchaus bedrohlich­en Zwischenwe­lten.

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