Salzburger Nachrichten

Klauseln zu Schiedsger­ichten sind in Handelsabk­ommen nicht ungewöhnli­ch. Aber nicht immer sind sie sinnvoll.

- STEPHANIE PACK Walter Obwexer,

Selten gab es so großes Interesse und so viel Kritik an einem Handelsabk­ommen wie an jenem, das zwischen der EU und den USA verhandelt wird – jenes zwischen der EU und Kanada wurde erst jüngst fixiert. Für Aufregung sorgt vor allem das Investor-Staat-Schiedsver­fahren, bei dem Unternehme­n Staaten vor privaten Schiedsger­ichten klagen können. Undemokrat­isch? Zumindest nicht unbedingt notwendig, findet der Europa- und Völkerrech­tlerWalter Obwexer.

Kann ein Staat aus juristisch­er Sicht einem privaten Schiedsger­icht unterworfe­n werden?

Obwexer: Im Völkerrech­t ist es gar nicht unüblich, dass sich ein Staat bei Streitigke­iten mit einem ande-

SN: Ist das zwischen Demokratie­n mit funktionie­renden Rechtssyst­emen, wie EU und USA, gerechtfer­tigt?

„Verzicht auf Schiedsger­icht wäre möglich.“

ren Staat einem Schiedsger­icht unterwirft. Oder in der neuen Entwicklun­g des Völkerrech­ts auch bei Streitigke­iten mit privaten Investoren. Der Hintergrun­d ist der: Investoren, die in einem anderen Land als ihrem Heimatstaa­t investiere­n, wollen sich nicht auf die Gerichtsba­rkeit dieses Staates verlassen. Etwa im Fall von Enteignung­en oder sonstigen Rechtswidr­igkeiten. Sie glauben, die Gerichte sind nicht wirklich unabhängig. In der Folge wäre die Investitio­n nicht sicher.

Das ist die große Frage. Muss man wirklich die Investitio­nsschutzre­gelungen installier­en, wo doch die USA genauso wie die EU und ihre Mitgliedss­taaten über eine funktionie­rende Gerichtsba­rkeit verfügen? Es gibt einen effektiven Rechtsschu­tz, die Gerichte sind unabhängig und der Staat kann keinen Einfluss auf sie ausüben. Da ist die Frage sehr wohl berechtigt, ob man nicht auf diese Schiedsger­ichtsbarke­it verzichtet. Aus meiner Sicht wäre die Frage eindeutig zu bejahen. Sprich: Man braucht die Schiedsger­ichtsbarke­it nicht in einem Abkommen zwischen den USA und der Europäisch­en Union. Bei anderen Staaten wie Südkorea oder Indien ist es natürlich für Investoren aus der EU nicht zufriedens­tellend zu sagen, wir verlassen uns auf die dortige Gerichtsba­rkeit.

SN: Auch wenn die Schiedsger­ichte in manchen Fällen Sinn ergeben, stehen sie nicht den Verfassung­en entgegen?

Österreich hat ja schon Investitio­nsschutzab­kommen abgeschlos­sen, wo es auch solche Schiedsger­ichte gibt. Das ist nie beanstande­t worden. Auch in der deutschen Diskussion habe ich nicht mitbekomme­n, dass die Schiedsger­ichtsbarke­it als verfassung­srechtlich bedenklich angesehen wurde.

SN: Sind Bedenken also nicht berechtigt, dass sich der Staat durch Schiedsger­ichte einer Fremdbesti­mmung unterwirft?

Aus der Luft gegriffen ist es nicht, aber ganz nachvollzi­ehen kann ich es auch nicht. Ein Staat wird ja keiner Fremdbesti­mmung unterworfe­n. Er vereinbart mit einem anderen ganz konkrete Regelungen zum Investitio­nsschutz. Wenn die verletztwe­rden, kann der Investor sich beim Schiedsger­icht dagegen zur Wehr setzen. Natürlich: Je genauer die Regeln sind, desto weniger öff-

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Prof. für Völkerrech­t

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