Protest nach Polizeischüssen
Nach dem ungeklärten Tod eines jungen Schwarzen halten die Unruhen in einem Vorort von St. Louis an. Die Bürger verlangen Gerechtigkeit für Michael Brown.
Die amerikanische Bundespolizei FBI ermittelt. Bürgerrechtler Al Sharpton eilt herbei. Die örtlichen Politiker versprechen umfassende Aufklärung. All das ist nicht genug, Wut und Empörung der Einwohner von Ferguson vor den Toren der Großstadt St. Louis im US-Bundesstaat Missouri zu besänftigen. In der von Armut geprägten Schwarzen-Nachbarschaft besteht der fürchterliche Verdacht, dass wieder ein junger Afroamerikaner im Namen von Recht und Ordnung sterben musste. Ohne wirklich etwas getan zu haben. Davon jedenfalls sind die Bürger von Ferguson überzeugt, die sich fragen, warum ein Polizist amhelllichten Tag den unbewaffneten Burschen mit mehreren Schüssen niederstreckte – aus mehr als zehnMetern Entfernung.
Es war das tödliche Ende eines Tages, der voller Hoffnung für den 18-Jährigen begonnen hatte. Michael Brownwollte sich im technischen Vatterott College für eine Ausbildung zum Heizungsmechaniker einschreiben. Er war in Begleitung
KURZ GEMELDET
eines anderen Burschen auf dem Weg zu seiner Großmutter, als ein Polizeiwagen die beiden am Samstag in der Mittagszeit stoppte. Was dann passierte, bleibt umstritten.
Der Polizeichef von St. Louis, John Belmar, behauptet, einer der beiden jungen Männer habe den Beamten in das Fahrzeug gestoßen. Es sei zu einem Gerangel gekommen. Dabei habe sich mindestens ein erster Schuss aus derDienstwaf- Thomas J. Spang berichtet für die SN aus den USA fe gelöst. Warum der Polizist ein paarMinuten später dann das Feuer auf den inzwischen gut zehn Meter vom Streifenwagen entfernten Michael eröffnete, dafür hat Belmar bisher keine Erklärung.
„Ihr Kind ist bei hellem Sonnenschein hingerichtet worden“, behauptet Staranwalt Benjamin Crump, der aus Florida nach St. Louis eilte, um die trauernden Eltern zu vertreten. Es gebe reichlich Zeugen, die gesehen hätten, wie der Student mit erhobenen Armen wehrlos auf der Straße stand, als die Schüsse fielen. Crump fühlt sich an den gewaltsamenTodTrayvon Martins erinnert, dessen Eltern er im Prozess gegen den Nachbarschaftswächter George Zimmerman vertreten hatte. Trayvon war im Februar 2012 in Sanford, Florida auf dem Weg zum Haus seines Vaters von Zimmerman grundlos gestellt und erschossen worden. Der Freispruch Zimmermans vor einer Jury des Sonnenstaats erschütterteUSAweit das Vertrauen der Schwarzen in die Justiz. Darauf spielt der Führer der örtlichen Bürgerrechtsbewegung NAACP, Cornell William Brooks, an, der in dem Tod Browns ein weiteres Beispiel für Polizeiwillkür sieht.
Michaels Mutter Leslie kann es nicht glauben. „Erwar auf demWeg zum College“, sagt sie über ihren Sohn, den andere als fröhlichen Kerl beschreiben. „Ein guter Junge“, pflichtet Vater Brown bei, der Gerechtigkeit für seinen Sohn fordert. Justizminister Eric Holder ord- nete eine Untersuchung der Vorfälle durch die Bundespolizei FBI an. „Es geht darum, das Vertrauen zwischen den Ordnungshütern und den Wohnvierteln, denen sie dienen, zu erhalten.“Auch der Regierungspräsident von St. Louis, Charly Dolley, verspricht, nicht lockerzulassen, bis die Umstände lückenlos geklärt sind. „Ich will die Wahrheit genauso herausfinden wie Sie“, sicherte er den Bürgern von Ferguson zu.
Viele der 21.000 Einwohner gingen auch am Dienstag wieder auf die Straße, um ihrem Unmut über die als exzessiv empfundene Polizeigewalt Luft zu machen. Junge Schwarze skandierten mit erhobenen Händen: „Hands up, don’t shoot!“Nach zwei Nächten mit Plünderungen und Ausschreitungen gegen örtliche Geschäfte, dem Einsatz von Tränengas und Dutzenden Festnahmen blieb es zunächst friedlich. Ruhe wollen die Bürger von Ferguson so lang nicht geben, bis der Fall geklärt ist.