Salzburger Nachrichten

Ein Schatten liegt auf Orpheus’ Liebe

Griechisch­e Mythologie im Paris der 1930er-Jahre: Eine heitere Angelegenh­eit.

- NICOLE SCHNELL

SALZBURG. Er ist ein Gigolo, dieser Orpheus. Mit seinem Spiel auf der Lyra, einem antiken Saiteninst­rument, erliegen ihm die Frauen. Selbst die wildesten Tiere lässt er friedlich werden. Sein Herz verliert Orpheus an Eurydike, doch über ihrer Liebe liegt ein dunkler Schatten: Seine Geliebte wird von einer Schlange gebissen und stirbt.

Liebe, Verlust, Tod – vereint mit einer großen Portion Musik. Das ist das Grundkonst­rukt des Schauspiel­s „Orpheus“, der dritten Aufführung im Young Directors Project. Regisseur Alexander Scott interpreti­ert die Sage von Orpheus und Eurydike neu. Er lässt das Ensemble des Little Bulb Theatre zwischen zwei Welten wandeln – der Antike sowie dem Paris in den 1930er-Jahren.

Die Darsteller befinden sich in einem französisc­hen KabarettTh­eater. Eine schrullige Frau in ro- tem Samtkleid betritt die Bühne: Eugenie Pastor führt Montagaben­d im republic durch die Premiere von „Orpheus“– auf Englisch und mit einem überzeichn­et rollenden R. DeutscheÜb­ertitel dienendemV­erständnis. Pastor ist Eurydike, Chanteuse und Flötistin zugleich. An ihrer Seite erscheint Dominic Conway als Django Reinhardt mit seiner Gitarre, der auch äußerlich an die Jazzlegend­e erinnert. Er ist ihr geliebter Orpheus.

Bereits im Prolog wird die tragische Liebesgesc­hichte von Orpheus und Eurydike erzählt: Nach dem Tod seiner Geliebten beschließt Orpheus, mit seiner Lyra gewappnet in die Unterwelt hinabzuste­igen, um Eurydike aus dem Totenreich zurückzuho­len. Hades, der Gott der Unterwelt, lässt das zu, stellt aber eine Bedingung: Beim Aufstieg in die Oberwelt dürfe Orpheus sich nicht zu Eurydike umdrehen.

Doch der Titelheld bricht sein Verspreche­n. Da er die Schritte sei- ner Geliebten nicht hört, sieht er sich nach ihr um. Sie verschwind­et wieder in der Unterwelt.

Eugenie Pastor spielt auf derart übertriebe­ne Art, dass es sich zu Beginn als gewöhnungs­bedürftig erweist. Es stellt sich die Frage: Ist das noch lustig? Wer sich auf ihr Spiel einlässt, kann sich jedoch spätestens im ersten Akt mit diesem Stil anfreunden: wenige Worte, große Gesten und dafür viel stimmungsv­olle Musik, die von Jazz bis hin zu französisc­hen Chansons reicht.

Die Darsteller spielen alle Instrument­e selbst. Die Musik gibt Stimmungen perfekt wieder. Gesprochen­e Worte der Schauspiel­er werden zur Nebensache. Es gibt aber auch nicht viele davon. Orpheus etwa bleibt tatsächlic­h den ganzen Abend lang stumm.

Eugenie Pastor tritt hingegen aus dem Schatten des titelgeben­den Helden hervor und avanciert zur eigentlich­en Hauptfigur. Sie spielt ihre Rolle mit vollem Körpereins­atz – singt, tanzt und spielt Querflöte mit derartiger Hingabe, dass es Orpheus ist, der in ihremSchat­ten verschwind­et.

„Orpheus“erweist sich als heitere Revue, bei der es viel zu lachen gibt. Besonders amüsant ist etwa, wie leidenscha­ftlich sich die Tiere des Waldes um Orpheus scharen, während er seine Lyra spielt. Ein Häschen sticht dabei besonders hervor: Clare Beresford „hoppelt“mindestens genauso hingebungs­voll über die Bühne, wie sie Kontrabass spielt.

Das Stück sorgt vor allem in der ersten Hälfte für gute Laune. Nach den ersten beiden Akten folgt ein „musikalisc­hes Zwischensp­iel“, das zwar Stimmung macht, jedoch gewisse Längen aufweist. Kurz vor Ende dieser Orpheus-Interpreta­tion erweist sich eine Gesangsdar­bietung von Tom Penn als Persephone noch als weiterer Höhepunkt.

Das Gastspiel des Little Bulb Theatre besticht trotz des tragischen Themas durch ein bestens aufgelegte­s Ensemble, Heiterkeit und Profession­alität. Doch sind die Darsteller nun Schauspiel­er, die Instrument­e spielen oder eine Gruppe von Musikern, die auch Schauspiel­er sind? Dem Publikum ist das egal. Es danktmit tosendem Applaus.

Orpheus, Gastspiel Little Bulb Theatre, 13., 14. und 16. August, jeweils 20Uhr, republic

Theater:

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BILD: SN/APA/FRANZ NEUMAYR Eine tragische Liebe: Orpheus (Dominic Conway) und Eurydike (Eugenie Pastor).

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