Ein Schatten liegt auf Orpheus’ Liebe
Griechische Mythologie im Paris der 1930er-Jahre: Eine heitere Angelegenheit.
SALZBURG. Er ist ein Gigolo, dieser Orpheus. Mit seinem Spiel auf der Lyra, einem antiken Saiteninstrument, erliegen ihm die Frauen. Selbst die wildesten Tiere lässt er friedlich werden. Sein Herz verliert Orpheus an Eurydike, doch über ihrer Liebe liegt ein dunkler Schatten: Seine Geliebte wird von einer Schlange gebissen und stirbt.
Liebe, Verlust, Tod – vereint mit einer großen Portion Musik. Das ist das Grundkonstrukt des Schauspiels „Orpheus“, der dritten Aufführung im Young Directors Project. Regisseur Alexander Scott interpretiert die Sage von Orpheus und Eurydike neu. Er lässt das Ensemble des Little Bulb Theatre zwischen zwei Welten wandeln – der Antike sowie dem Paris in den 1930er-Jahren.
Die Darsteller befinden sich in einem französischen KabarettTheater. Eine schrullige Frau in ro- tem Samtkleid betritt die Bühne: Eugenie Pastor führt Montagabend im republic durch die Premiere von „Orpheus“– auf Englisch und mit einem überzeichnet rollenden R. DeutscheÜbertitel dienendemVerständnis. Pastor ist Eurydike, Chanteuse und Flötistin zugleich. An ihrer Seite erscheint Dominic Conway als Django Reinhardt mit seiner Gitarre, der auch äußerlich an die Jazzlegende erinnert. Er ist ihr geliebter Orpheus.
Bereits im Prolog wird die tragische Liebesgeschichte von Orpheus und Eurydike erzählt: Nach dem Tod seiner Geliebten beschließt Orpheus, mit seiner Lyra gewappnet in die Unterwelt hinabzusteigen, um Eurydike aus dem Totenreich zurückzuholen. Hades, der Gott der Unterwelt, lässt das zu, stellt aber eine Bedingung: Beim Aufstieg in die Oberwelt dürfe Orpheus sich nicht zu Eurydike umdrehen.
Doch der Titelheld bricht sein Versprechen. Da er die Schritte sei- ner Geliebten nicht hört, sieht er sich nach ihr um. Sie verschwindet wieder in der Unterwelt.
Eugenie Pastor spielt auf derart übertriebene Art, dass es sich zu Beginn als gewöhnungsbedürftig erweist. Es stellt sich die Frage: Ist das noch lustig? Wer sich auf ihr Spiel einlässt, kann sich jedoch spätestens im ersten Akt mit diesem Stil anfreunden: wenige Worte, große Gesten und dafür viel stimmungsvolle Musik, die von Jazz bis hin zu französischen Chansons reicht.
Die Darsteller spielen alle Instrumente selbst. Die Musik gibt Stimmungen perfekt wieder. Gesprochene Worte der Schauspieler werden zur Nebensache. Es gibt aber auch nicht viele davon. Orpheus etwa bleibt tatsächlich den ganzen Abend lang stumm.
Eugenie Pastor tritt hingegen aus dem Schatten des titelgebenden Helden hervor und avanciert zur eigentlichen Hauptfigur. Sie spielt ihre Rolle mit vollem Körpereinsatz – singt, tanzt und spielt Querflöte mit derartiger Hingabe, dass es Orpheus ist, der in ihremSchatten verschwindet.
„Orpheus“erweist sich als heitere Revue, bei der es viel zu lachen gibt. Besonders amüsant ist etwa, wie leidenschaftlich sich die Tiere des Waldes um Orpheus scharen, während er seine Lyra spielt. Ein Häschen sticht dabei besonders hervor: Clare Beresford „hoppelt“mindestens genauso hingebungsvoll über die Bühne, wie sie Kontrabass spielt.
Das Stück sorgt vor allem in der ersten Hälfte für gute Laune. Nach den ersten beiden Akten folgt ein „musikalisches Zwischenspiel“, das zwar Stimmung macht, jedoch gewisse Längen aufweist. Kurz vor Ende dieser Orpheus-Interpretation erweist sich eine Gesangsdarbietung von Tom Penn als Persephone noch als weiterer Höhepunkt.
Das Gastspiel des Little Bulb Theatre besticht trotz des tragischen Themas durch ein bestens aufgelegtes Ensemble, Heiterkeit und Professionalität. Doch sind die Darsteller nun Schauspieler, die Instrumente spielen oder eine Gruppe von Musikern, die auch Schauspieler sind? Dem Publikum ist das egal. Es danktmit tosendem Applaus.
Orpheus, Gastspiel Little Bulb Theatre, 13., 14. und 16. August, jeweils 20Uhr, republic
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