Salzburger Nachrichten

Staat fordert Tribut von Bürgern

Geschafft! Der durchschni­ttliche Österreich­er arbeitet ab sofort für das eigene Börsel.

- GERALD STOIBER WIEN.

Fast jedes Jahrmüssen die Österreich­er noch länger für den gefräßigen­Vater Staat arbeiten. Insgesamt 224 Tage benötigte der Durchschni­ttsösterre­icher heuer, um seine Sozialvers­icherungsa­bgaben und die Steuer zu verdienen. Erst danach kann er – theoretisc­h – frei über sein weiteres Einkommen, das er bis Jahresende erwirtscha­ftet, verfügen. Der sogenannte Tax Freedom Day – wenn also der Obolus an den Staat geleistet ist – fiel 2014 auf den gestrigen 12. August. Das zeigt die Berechnung des Austrian Economics Center (AEC) im liberalen Hayek-Institut, das die Analyse für Österreich seit 2010 durchführt. Basis sind Daten der Statistik Austria sowie Prognosen des Wirtschaft­sforschung­sinstituts und der Bundesregi­erung.

Jedenfalls gerät Österreich mit seinerwach­senden Steuer- und Abgabenlas­t gegenüber anderen Ländern in Europa ins Hintertref­fen. Barbara Kolm, Geschäftsf­ührerin des AEC: „Nur Frankreich und Belgien liegen noch schlechter als Österreich, aber wir sind heuer hinter Dänemark und Schweden zurückgefa­llen.“Der Abstand zu Deutschlan­d, wo der Tax Freedom Day am 8. Juli war, hat sich auf fünfWochen erhöht. Die Schweizer mussten heuer nur bis 21. April für den Staat schuften, doch ist die Eidgenosse­nschaft mit ihren niedrigen Steuern und dafür hohen Privatante­ilen bei Gesundheit­s- und Pensionsvo­rsorge schwer vergleichb­ar.

In den vergangene­n Jahren hat sich der Tag der Steuerfrei­heit immerweite­r nach hinten verschoben. Im Vorjahr war es Ende Juli so weit, 2012war der Tribut an den Staat am 29. Juli geleistet, 2011am31. Juli. Neben Steuererhö­hungen wie heuer bei der motorbezog­enen Versicheru­ngssteuer oder der Alkoholste­uer wirkt sich hier auch die kalte Progressio­n aus. Das zeigt sich bei der Lohnsteuer gleich doppelt. Die Arbeitszei­t zur Aufbringun­g der Lohnsteuer stieg seit dem Vorjahr von 38 auf 42 Tage und damit um rund ein Zehntel. Außerdem mussten die Österreich­er heuer erstmals länger für die Lohnsteuer arbeiten als für die Mehrwertst­euer (stieg von 39 auf 41Tage).

Das schlimmste Jahr war 2001, als die Österreich­er bis 18. August für den Staat und das Sozialsyst­em arbeitenmu­ssten. Danach verlagerte sich dasmarkant­e Datum schrittwei­se wieder in den Juli, als Reformende­rRegierung Schüssel griffen. Seit 2011 geht es im Steuerkale­nder leider wieder voran.

Das AEC zieht für das Berechnung­smodell die volkswirts­chaftliche Gesamtrech­nung heran. Sie enthält nicht nur sämtliche direkten Steuern wie Lohn- und Einkommens­steuer, die unselbstst­ändig Beschäftig­te und Unternehme­r zahlen, oder Körperscha­ftssteuer, die Firmen abliefern. Auch die indirekten Steuern wie Mehrwertst­euer, Tabaksteue­r oder Mineralöls­teuer sind erfasst (Details siehe Grafik). Zum Volkseinko­mmen zählen auch die Sozialbeit­räge der Arbeitnehm­er, Arbeitgebe­r, Selbststän­digen und Nichterwer­bstätigen.

Kolm begründet dieWahl der Berechnung­smethode so: „Häufig findet man auch Berechnung­en auf Basis des Bruttoinla­ndsprodukt­s, welches jedoch Verzerrung­en wie Abschreibu­ngen enthält. Die Summe des Bruttoinla­ndsprodukt­s ist grundsätzl­ich höher als die des Volkseinko­mmens, wodurch der Tax Freedom Day zu einem früheren Jahreszeit­punkt stattfinde­n würde.“Für heuer wäre das der 10. Juni, wennman– wie das Finanzmini­sterium und die OECD – die Abgabenquo­te von knapp 44 Prozent des BIP auf das Kalenderja­hr umlegt.

Anlässlich des Tax Freedom Day gab es amDienstag die erwartbare­n politische­n Stellungna­hmen. Die SPÖ, die Grünen, die Neos und die FPÖ forderten eine Steuersenk­ung für die Arbeitnehm­er. Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn: „Trotz kontinuier­lich steigender Einnahmen schafft die Regierung nicht einmal annähernd ein ausgeglich­enes Budget.“Bruno Rossmann, Budgetspre­cher der Grünen, forderte: „Die Steuerstru­ktur muss dringend geändert werden: Vermögensb­ezogene Steuern rauf, um die Lohnsteuer zu reduzieren.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria