Liebherr schaufelt sich vor
Ob am Bau, im Steinbruch, der Holzwirtschaft oder beim Schneeräumen: In Bischofshofen entwickelte Radlader sind mittlerweile selbst in Brasilien und China im Einsatz. Punkten will man mit großer Kraft bei wenig Verbrauch.
BISCHOFSHOFEN. Klotzen, nicht kleckern! Auf den ersten Blick zählt im Liebherr-Werk in Bischofshofen vor allem eins: pure Stärke. 400-PSMotoren lagern neben drei Tonnen schweren Stahlschaufeln. Simple Tätigkeiten, wie Räder zu montieren, werden zur Herkulesaufgabe, wenn jedes Rad eine Tonne wiegt. Eine eigene Vorrichtung hätten die Mitarbeiter dafür entwickelt, sagt Geschäftsführer Manfred Santner und schreitet durch die riesigen Hallen. Produziert wird hier nur eines: Radlader – und die nur auf Bestellung.
Ob am Bau, im Kieswerk oder der Recyclinganlage: „Unsere Radlader kommen in allen Bereichen zum Einsatz“, sagt Santner. „Von der Stange“zu produzieren habe wegen unterschiedlicher Anforderungen keinen Sinn. „Ob ich einen kleinen Radlader für die Gemeinde zum Schneeräumen brauche oder eine Spezialmaschine, um tonnenschwere Marmorblöcke im Steinbruch zu bewegen, macht einen Riesenunterschied.“16 Radlader-Typen und über 500 verschiedene Schaufel-Varianten stehen zur Auswahl, von der Fünf-Tonnen-Maschine umrund 50.000 Euro bis zum 30-Tonner um 300.000 Euro.
So massiv die Maschinen ausschauen, technologisch steigen die Anforderungen immens. „Das Auto vonheute kannmanmitdemvonvor 30 Jahren auch nicht vergleichen“, sagt Santner. Von Rückfahrkameras über Steuerung auf Wunsch per Joystick bis zur Fernwartung der Maschine bei elektrischen Defekten von Bischofshofen aus: Weiterentwicklungen gibt es ständig. Das gelte auch für den Komfort des Fahrers, sagt Santner. „Ein Lenker steigt heute nach acht Stunden aus dem Fahrerhaus und hat trotzdem noch Lust auf Fußball, nicht nur Gedanken ans Hinlegen.“
Im Konkurrenzkampf mit Branchenriesen wie Caterpillar oder Volvo will Liebherr nicht nur mit Stärke punkten, sondern vor allemmit niedrigem Verbrauch. Bis zu 25 Prozentweniger Diesel brauche ein Liebherr-Radlader. „Bei einer 20-TonnenMaschine, die pro Betriebsstunde 20 Liter verbraucht, geht das ins Geld“, sagt Santner. Fünf Liter weniger pro Stunde auf eine Lebensdauer von 10.000 Stunden gerechnet, mache einen Betriebskostenvorteil von über 50.000 Euro aus – ein Viertel des Kaufpreises. „Derzeit ist es aber noch schwierig, diesen Kostenvorteil umzusetzen, Einkäufer schauen nur auf den Preis.“
Schaffen würde man den geringeren Verbrauch durch den sogenannten hydrostatischen Antrieb. „Bei den kleineren Radladern waren wir die Ersten, die das umgesetzt haben, bei den großen sind wir nach wie vor die Einzigen“, sagt Santner. Vereinfacht gesagt liege der Vorteil da-
In Bischofshofen produziert Liebherr Radlader für den europäischen Markt. rin, dass zwischen Motor und Getriebe eine Hydraulikpumpe geschaltet ist. Damit müsse man den schweren Motor nicht direkt beim Getriebe im Zentralraum platzieren, sondern weiter hinten. Damit erspare man sich sonst notwendiges Gegengewicht, um ein Kippen beim Schaufeln schwerer Gegenstände zu verhindern. Noch wichtiger sei, dass man die Kraft zielgerichtet steuern könne. „Bei vielen Radladern drehen die Räder durch, weil man Gas gibt, um vorn etwas Schweres zu heben.“Dabei verpuffe viel Energie.
Mit 30 Prozent Marktanteil ist Liebherr in Österreich Marktführer. In Europa kommt jeder zehnte Radlader von Liebherr. Das großeWachstumwerde künftig in den Schwellenländern stattfinden, sagt Santner. ImVorjahr istmanin Brasilien und China in die Serienfertigung gegangen, schon heuer werde man dort 500 Radlader verkaufen. Entwickelt werden die Modelle in Bischofshofen, produziert wird inWerken der deutschen Liebherr-Mutter. Technologisch, aber auch preislich gebe es bei den Modellen für die Schwellenländer Unterschiede. Die dort produzierten Radlader seien erheblich einfacher, dafür umein Drittel billiger. „Allein mitdemDiesel, den man in Indien oder China bekommt, könnten eu- ropäische Maschinen nicht fahren“, sagt Santner.
Für den gesamten europäischen Markt wird in Bischofshofen produziert. 2500 Radlader verließen im Vorjahr das Werk. Mit 382 Mill. Euro Umsatz hatman den Vorkrisenwert von 448 Mill. Euro noch nicht wieder erreicht. 2009 musste man einen Einbruch von einem Drittel verkraften. Kündigungen habe man durch Kurzarbeit und den Abbau von Leiharbeitern bisher stets verhindern können, auch Verluste gab es nie, betont Santner.
Derzeit zählt das in den 1960er-Jahren gegründete LiebherrWerk in Bischofshofen 1000Mitarbeiter, 800 in der Produktion, 200 in dem ebenfalls Bischofshofen zugeordneten Handelsgeschäft für Liebherr Baumaschinen in Österreich. „Die Leute sind im Schnitt 20 Jahre bei uns beschäftigt, viele Familien auch in mehreren Generationen.“Ideen hat man auch für die nächsten Generationen. „Irgendwann wird es nicht nur selbstfahrende Autos, sondern auch Radlader geben, die eigenständig fahren und einfache Hebeund Verladevorgänge durchführen“, sagt der Liebherr-Geschäftsführer. Auch die Hybridtechnik werde vor Radladern nicht haltmachen. Derzeit sei das aber noch Zukunftsmusik.