Ein Paradies versinkt imMüll
Wie Perlen reihen sich die Inseln der Malediven aneinander. In den vergangenen Jahren kam eine neue hinzu: Thilafushi. Das heißt „seichte Lagune“. Viel treffender wäre „Müllinsel“.
MALÉ . Mit den Malediven verbindet man weiße Traumstrände und türkisblaues Meer. An stinkende Müllberge denken wohl die wenigsten. Thilafushi ist die Hölle mitten im Paradies. Die Malediven-Insel war einst eine türkisblaue Lagune im Indischen Ozean, bis die Regierung in den 90er-Jahren beschloss, dort einen Großteil des Mülls des Landes abzuladen. Eine Insel aus Abfall wuchs empor. Und jeden Tag kommen weitere Tonnen hinzu: Reifen, Plastikflaschen, Thunfischdosen, Lkw-Batterien. Das meiste wird sofort verbrannt, fast unsortiert. Beißender weißer Rauch liegt den ganzen Tag über der Insel.
Keine zehn Kilometer sind es von Thilafushi bis nach Kurumba. Auf der Resortinsel duftet es nach Zitronengras und Blumen. Die Bioabfälle der acht Restaurants werden kompostiert und die frische Erde für den Orchideengarten verwendet, wie Managerin Leah Haguison erklärt. „Jede Ferieninsel ist wie ein kleiner Staat. Wir haben eine eigene Wasserentsalzungsanlage für die Pools und Generatoren für Strom.“
Kurumba war 1972 das erste Ferienparadies der Malediven, heute gibt es mehr als 100 Resorts. Doch trotz Solarmodulen auf den Luxushütten und Kompost: Die Wasser-
„Das Abwasser wird direkt insMeer geleitet.“
Mohammed Shihab, Bürgermeister flaschen, Sonnencremetuben und ausgelatschten Flip-Flops der Touristen landen im Restmüll. Jeder Besucher verursacht nach offiziellen Angaben täglich 3,5 Kilogramm Müll, die 394.000 Malediver hinterlassen pro Kopf und Tag 1,2 Kilogramm. All dasmuss irgendwo hin.
Mittlerweile gehören die Müllberge auf Thilafushi zu den höchs- ten Erhebungen des Inselreichs. Gastarbeiter aus Bangladesch wühlen sich durch die Überbleibsel, um wiederverwertbares Metall und Glas vomRest zu trennen. „Wer neu ist, bekommt Hautausschläge“, sagt MohammedMokulHussein. Er lebe schon seit acht Jahren auf derMüllinsel und habe sich daran gewöhnt. Den Großteil der etwa 240 Euro, die er jeden Monat verdient, schickt er zu seiner Frau und den drei Kindern nach Bangladesch. „Ein Mal imJahr fliege ich hinüber, um meine Familie zu sehen“, sagt er.
Das Büro der staatlichenUmweltschutzbehörde liegt in Sichtweite von Thilafushi, auf der Hauptstadtinsel Malé. „Oft stört der Rauch die Menschen hier, das hängt vom Wind ab“, sagt Direktor Mohammed Mustafa. Auch die Urlaubsresorts beschwerten sich. „Tatsächlich haben wir seit 2001 auch zunehmende Krebsfälle, das sollte einmal in einer Studie untersucht werden“, sagtMustafa.
Doch dazu fehlen dem Land die Mittel. Wie auch bislang für eine Müllverbrennungsanlage. „Natürlich wurde am Anfang, als wir Thilafushi schufen, dasWasser kontaminiert. Aber wir hatten keine Wahl, der Müll musste von Malé runter“, sagt Mustafa. Heute werde die Insel abgedichtet und das Land, das so entstehe, als Industriegebiet genutzt.
Die Kanalisation verursacht zusätzliche Umweltverschmutzung. Die Hauptinsel Malé habe keine Kläranlage, sagt Bürgermeister Mohammed Shihab. „Leider wird das Abwasser direkt insMeer geleitet“, gibt er zu.
Auch der Hausmüll schaffe es oft nicht nach Thilafushi, sondern werde ins Meer gekippt, sagt der Umweltaktivist Ali Rilwan. Die Strafen sind zwar hoch – doch die wenigen Polizisten seien quasi machtlos, da die Inseln sich über fast tausend Kilometer Länge erstrecken.