Zeitenwende im Salzburger Eishockey
Dan Ratushny ist nicht nur der neue Mann an der Salzburger Bande, er verkörpert auch eine ganz andere Philosophie.
Alles neu wurde heuer just in der Walpurgisnacht: Noch am 30. April beschäftigte sich Salzburgs Trainer Don Jackson in einer Telefonkonferenz mit der Kaderzusammenstellung des österreichischen Eishockey-Meisters Red Bull Salzburg. Am 1. Mai teilte er seinen Vertrauenspersonen in Salzburg per SMS seinen Wechsel zur Konzernschwester nach München mit. Was immer in dieser sagenumwobenen Nacht passiert sein mag, es ist Thema für Fantasiebegabte.
Für jene mit Blick auf die Realität war und ist es der Beginn einer völlig neuen Zeitrechnung im Salzburger Eishockey. Denn der neue Mann an der Bande, der erst 43-jährige kanadische Anwalt und Neo-Trainer Dan Ratushny, ist so ziemlich das genaue Gegenteil der großen grauen Eminenzen hinter der Bande, die seit fast einem Jahrzehnt das Hockey hier geprägt haben: Erst Hardy Nilsson, der bei seinem Dienstantritt 2005 schon 58 Jahre alt war und einen Titel holte, dann der legendäre Pierre Pagé, der 2007 mit 59 Jahren kam und in sechs Jahren drei Titel hinzufügte, und schließlich Stanley-Cup-Sieger Don Jackson (57), der in seinem einzigen Jahr österreichischer Meister wurde. Anekdoten gibt es über die drei genug zu erzählen und da ist der originelle Pierre Pagé gar nicht der Spitzenreiter. Hardy Nilsson etwa, vor seinem Job in Salzburg immerhin schwedischer Nationaltrainer, wei- gerte sich immer, mit Reportern über Eishockey zu sprechen, weil er sie für ahnungslos hielt.
Die erste Anekdote, die über den neuen Trainer Ratushny erzählt wurde, handelt davon, dass er im Unterschied zu seinen Vorgängern seine Mails im Büro selbst schreibt. Was ist nun der Unterschied zwischen der alten und der neuen Trainergarde, Mister Ratushny? „Gute Frage, darüber wird ja auch in der NHL oft diskutiert. Manchmal sind die jungen imTrend, manchmal die alten Trainer. Ich versuche, mehr auf die Spieler zuzugehen, und diskutiere vielleicht mehr als ältere Trainer. Aber imEndeffekt habe ich genauso meinen Plan und agiere nicht in der Grauzone.“
Matthias Trattnig, der seine zehnte Profisaison in Salzburg beginnt, sieht – noch – keine so großen Unterschiede. „Wie ein Trainer wirklich tickt, merkt man ohnedies erst, wenn die ersten Niederlagen kommen und der Druck da ist.“
Für alle Beteiligten neu sind heuer einige Regeländerungen: Die Angriffsdrittel werden um eineinhalb Meter länger, was für mehr Spektakel sorgen soll. „Das kommt sicher läuferisch starken Teams zugute“, sagt Trattnig. „Aber es wird auch schwieriger, im Angriff die blaue Linie zu halten“, sagt Taktiker Ratushny, der derzeit der Mannschaft noch sein neues System beibringen muss. Das bedingungslose Offensivspiel unter Pagé und Jackson wird wohl der Vergangenheit angehören, Ratushny legt viel Wert auf Puckbesitz und Pressing, wenn man nicht in Puckbesitz ist. Ist das Systemso ganz anders zu früher? Trattnig: „Ja, es ist anders als unter Pagé oder Jackson, aber im Endeffekt geht es immer noch um Eishockey.“
Personelles: Andreas Kristler wird noch bis Ende September ausfallen, ein Verteidiger soll noch kommen. „Wenn wir den geeigneten Mann jetzt nicht finden, dann kommt er halt erst im September“, sagt Ratushny gelassen. Der nahende Nennschluss für die Champions League (Freitag) dürfte nämlich die Preise nach oben getrieben haben.