Das Tattoo der Kopfjäger
Der Dorn eines Zitronenbaums, ein Gemisch aus Wasser und Ruß und Schmerzen: Das macht einen Pinzgauer nun zum Mitglied eines Stammes ehemaliger Kopfjäger.
Weltenbummler Sepp Eder aus Piesendorf hat nicht irgendein Tattoo auf dem Oberarm. Sondern eines, das einst Kopfjäger trugen. Angefertigt hat es die letzte Meisterin der Kalinga-Tätowierkunst. Die 97-jährige Whang Od beginnt den „Schmerz der Schönheit“mit stoischer Gelassenheit. Mit einem Reishalm zeichnet sie ein Muster am linken Oberarm vor. Dann nimmt sie den Dorn eines Zitronenbaumsund ritzt mit einer Paste aus Wasser und Ruß das Schlangenmuster unter die Haut. Stich für Stich, ohne zu zittern und ohne Brille. Dreieinhalb Stunden lässt Eder die Tortur über sich ergehen und findet es „ganz erträglich“. Schließlich dient es einer wichtigen Sache: Die jahrhundertealte Tätowierkunst des Stammes der Kalinga auf der philippinischen Insel Luzon zu erhalten und die letzteMeisterin im Dorf Buscalan dabei zu filmen.
Als Bezahlung für die Dienste hätte man früher Schweine gegeben. Heute zahlt Eder umgerechnet 20 Euro und soll für weitere Tattoos wiederkommen. Enkeltochter Grace schaut zu. Sie soll das Erbe weiterführen, das einstdemstolzen Bergvolk vonKriegern Kraft und Ansehen verliehen hat. Großflächige Körperbemalungen auf Brust und Armen er- zählten über die Heldentaten der Kopfjäger. Auch Frauen schmückten sich mit Tattoos. Tattooträgerinnen waren bei den Männern sehr begehrt. „Heute verstecken sie ihreHaut verschämt unter der Kleidung“, sagt Eder.
Wie indigene Völker mit ihrer Kultur an den Rand der Zivilisation gedrängt werden, dokumentiert Eder seit 33 Jahren. So lang bereist der ehemalige Bankdirektor der Raika Piesendorf immer wieder die Philippinen. Er hält fest, wie alte Kulturen verblassen und schließlich aussterben. Zumindest das Wissen darüber will er retten. So unterstützte er die Herausgabe von vier Büchern über die lokalen Silbenschriften auf der Insel Palawan.