NATO stellt „Speerspitze“im Osten auf
Wegen Russlands Aggression in der Ukraine stehen der Allianz höhere Militäretats ins Haus.
US-Präsident Barack Obama stärkte jetzt den Balten angesichts des russischen Vorgehens in der Ukraine demonstrativ den Rücken. Zugleich sprach sich Obama für den Ausbau der schnellen NATO-Eingreiftruppe aus. Die Streitkräfte des Bündnissesmüssten in Krisen noch rascher auf Bedrohungen gegen jeden Gegner reagieren können, sagte Obama in einer Rede am Mittwoch in Estlands Hauptstadt Tallinn. Auch im Baltikum müsse deshalb die dafür notwendige Infrastruktur geschaffen werden.
Das Nordatlantische Bündnis sei nicht gegen irgendein Land gerichtet, versicherteObama. „Wir sind eine Allianz von Demokratien, die sich ihrer eigenen kollektiven Verteidigung verschrieben haben.“
Gastgeber Großbritannien hat vor dem NATO-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Wales Druck auf die europäischen Bündnispartner wegen ihrer Verteidigungsausgaben gemacht. „Verteidigung ist wie eine Versicherung. Man kann nur etwas herauskriegen, wenn man auch einzahlt“, sagte Verteidigungsminister Michael Fallon. Großbritannien ist neben den USA, Estland und Griechenland eines von nur vier der 28 NATO-Länder, die das Bündnisziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erfüllen.
Die französische Regierung hat die umstrittene Lieferung eines Mistral-Kriegsschiffs an Russland auf Eis gelegt. Die Bedingungen für eine solche Lieferung seien „derzeit nicht gegeben“, hieß es am Mittwoch in Paris.
Inmitten der Ukraine-Krise hat der amerikanische Präsident Barack Obama den NATO-Partnern im Baltikum den unerschütterlichen Beistand der USA versprochen. „Er ist unzerbrechlich, er ist felsenfest und er ist ewig. Und Estland wird niemals allein dastehen“, sagte Obama am Mittwoch in der estnischen Hauptstadt Tallinn.
Er kündigte vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise die Entsendung weiterer Soldaten der USLuftwaffe und Flugzeuge ins Baltikum an. Das Baltikum grenzt an Russland. Die amerikanischen Soldaten sollen zu Übungszwecken am estnischen Militärstützpunkt Ämari stationiert werden, sagte Obama nach einem Treffen mit Estlands Staatschef Toomas Hendrik Ilves. Von den rund 600 Mann, die das Pentagon im April nach Polen und in die baltischen Länder beorderte, sind bereits 150 in Estland stationiert.
„Ihr Besuch sendet eine starke Botschaft“, sagte Ilves an die Adresse seines Gastes. Die Sicherheitslage in der Region habe sich durch das russische Vorgehen komplett verändert. „Eine robuste und sichtbare Präsenz eines Verbündeten hier ist der beste Weg, um jegliche Aggression abzuhalten“, betonte er.
Gemeinsam trafen die beiden Präsidenten mit den Staatschef der beiden Nachbarländer Lettland und Litauen zusammen. Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė betonte: „Die NATO muss alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Sicherheit der baltischen Länder zu gewährleisten.“
Schließlich hatte Moskau die Einverleibung der ukrainischen Krim damit begründet, dass dort vor allem Russen lebten und man Russen im Ausland schützen müsse. In Lettland hat mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung russische Wurzeln, in Estland sind es mehr als 25 Prozent. So ist etwa die wichtige estnische Industriestadt Narwa mehrheitlich russischsprachig. Die Baltenrussen fühlen sich als Bürger zweiter Klasse. Auch die EU hat die Politik der baltischen Staaten gegenüber den Russen immer wieder kritisiert.
Die NATO hat seit dem UkraineKonflikt ihre Luftüberwachung im Baltikum erhöht. Zudem patrouillieren NATO-Schiffe in der Ostsee. Kleinere amerikanische Verbände halten in allen drei baltischen Ländern Manöver ab. Eine schnelle Eingreiftruppe von 4000 Mann soll laut Plänen der NATO für einen Ernstfall für das Baltikum bereitstehen. Doch die sollen nicht fest dort stationiert werden.
Den baltischen EU-Ländern, bis in die 1990er-Jahre Teile der Sowjetunion, geht das nicht weit genug. Tallinn forderte von Obama und dem NATO-Gipfel neben einer erneuten Solidaritätsbestätigung für die „Frontländer“des Verteidigungsbündnisses eine permanente militärische Präsenz in Form von Truppen, Waffen und gemeinsamen Manövern. Auch die baltische Bevölkerung sieht das mehrheitlich so. „Wir brauchen mehr Truppen von anderen NATO-Ländern. Ich erinnere mich daran, wie wir es in der Sowjetzeit hatten, und das sind keine guten Erinnerungen“, sagt etwa Birgit Skolimowski (36), Schmuckdesignerin aus Tallinn zum Obama-Besuch.
Die russische Minderheit ist dagegen größtenteils gegen NATOTruppen. „Wir brauchen sie nicht.
NATO-Treffen im Luxushotel
Die Krim hat eine lange russische Geschichte. Es ist richtig, dass sie wieder russisch ist. Aber in Estland gibt es keine russische Bedrohung“, sagt die 70-jährige russischstämmige Pensionistin Katerina Vakarjuk.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wiederum machte deutlich, dass man beim NATO-Gipfel heute, Donnerstag, und morgen, Freitag, im britischen Wales trotz UkraineKrise die Absprachen mit Russland zur beschränkten Stationierung westlicher Streitkräfte in russischer Grenznähe nicht aufkündigen wolle. Somit wird das Treffen der Atlantischen Allianz zu einer Gratwanderung: Solidarität mit denOsteuropäern, aber kein totaler Affront gegenüberMoskau.
Für das größte politische Ereignis des Jahres auf britischem Boden wurde ein idyllisch gelegenes Luxushotel auf einem Hügel im sanften Süden vonWales im Gebiet der Gemeinde Newport gewählt. Das aus Naturstein gebaute Luxushotel Celtic Manor gleicht schon in seiner Bauweise einer Festung. Tatsächlich machen 9500 Polizisten um den Gipfel-Austragungsort, 20 Kilometer Eisenzaun und Überwachungs-Hubschrauber den sonst beschaulichen Ort für ein paar Tage dazu.