Waffenruhe! WelcheWaffenruhe?
Vor dem NATO-Gipfel und der Aussicht auf neue Sanktionen zeigt der Kreml einige interessante Manöver.
Kurz brach Aufregung aus. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte verbreitet, er habe mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin im Grundsatz eine Waffenruhe in der Ostukraine vereinbart. Dann war alles anders. Putin ließ umgehend dementieren – nur um wenig später Rahmenbedingungen für die Waffenruhe zu verlautbaren. So müsse die ukrainische Armee abziehen. Von einem Abzug seiner Separatisten war keine Rede. Was ist von diesem Verwirrspiel zu halten?
Einerseits kann der Kreml-Herrscher nicht zugeben, mit Poroschenko über eine Friedenslösung verhandelt zu haben. Damit würde Putin vor aller Welt eingestehen, dass er ein verlogener Zyniker ist. Schließlich behauptet Moskau seit Monaten, überhaupt nichts mit den Kämpfen im Nachbarland zu tun zu haben. Es handle sich ausschließlich um einen innerukrainischen Konflikt. Wie könnte da der russi- sche Präsident eine Waffenruhe vereinbaren?
Andererseits steht ein entscheidender Gipfel der NATO vor der Tür. Diese ist angesichts der Bedrohung, zu der Putins Russland wieder geworden ist, aus dem jahrelangen Dornröschenschlaf erwacht. Nicht nur das könnte unangenehm werden. Vor allem fürchtet der Kreml weitere Sanktionen. Diese Waffe des Westens ist schärfer als alles, was Moskau aufmarschieren lassen kann. Schon jetzt sind die Schmerzen groß. Die russische Börse hat seit Jahresbeginn knapp 18 Prozent an Wert verloren. 183 Milliarden Dollar sind futsch. Der Rubel dümpelt auf einem historischen Tief. Die Devisenreserven schmelzen. Investoren sind auf der Flucht. Russland muss inzwischen zehn Prozent Zinsen zahlen, um Staatsanleihen loszuwerden. In Moskau werden bittere Durchhalteparolen verbreitet, und morgen, Freitag, will die EU nach der vom Westen nicht bezweifelten Inter- vention Russlands über neue Sanktionen beraten. Da erscheint es durchaus angebracht, rasch eine freundliche Miene zu zeigen.
Die selbst geschaffenen Separatisten will der Kreml nicht alleinlassen. Sie könnten gegen die ukrainische Armee nicht bestehen. Das aber würde Putin in den Augen der großrussischen Nationalisten zu Hause als Verräter und Verlierer abstempeln. Also Abzug der ukrainischen Truppen, und zwar aus dem eigenen Land, aber kein Wort über die Separatisten und ihre Moskauer Unterstützer in einem fremden Land.
Wenn Russland wollte, wäre der Friede binnen Minuten fixiert: Rückzug der russischen Truppen samt Gerät, Sicherung der Grenze durch internationale Aufsicht. Dann aber könnte die Ukraine selbst über ihre Zukunft entscheiden. Genau das will der Kreml nicht.