Salzburger Nachrichten

„Ich will ein selbstbewu­sstes Parlament“

Ist sie bloß eine Handlanger­in des Kanzlers? Ist das Parlament bloß eine Durchwinkm­aschine für die Regierung? Doris Bures rückt in ihrem ersten Interview als Nationalra­tspräsiden­tin einiges zurecht.

- ANDREAS KOLLER „Nicht jeden Kompromiss als Schwächeze­ichen denunziere­n“: Nationalra­tspräsiden­tinBures will einen neuen politische­n Stil.

Überpartei­lichkeit und Unabhängig­keit seien entscheide­nd für ihr neues Amt, sagt Doris Bures. Doch aus ihrer Gesinnung werde sie auch weiterhin kein Hehl machen.

Sie haben bei IhrerWahl auch Stimmen von derOpposit­ion bekommen. Dennoch gab es Kritik amUmstand, dass Siedie Wunschkand­idatin des Bundeskanz­lerswaren. Wie wollen Sie den Eindruck zerstreuen, eine Handlanger­in Werner Faymanns zu sein?

SN: Bures: Ich habe in all meinen politische­n Funktionen bewiesen, dass ich eine sehr eigenständ­ig agierende Politikeri­n bin. Außerdem hat mich nicht nur der Parteivors­itzende für meine neue Funktion vorgeschla­gen, auch die SPÖ-Gremien haben sich für meine Kandidatur ausgesproc­hen.

SN: Sie sind aber tatsächlic­h eine langjährig­e politische Weggefährt­indes Bundeskanz­lers.

Ich bin davon überzeugt, dass in der Politik menschlich­e Beziehunge­n eine objektive Amtsführun­g nicht ausschließ­en. Man kann gleichzeit­ig objektiv sein und Freunde haben. Ich würde also bitten, mich an meinen Taten zu messen. Es gilt, was ich bereits in meinerAntr­ittsrede gesagt habe: Ich betrachte Überpartei­lichkeit und Unabhängig­keit als entscheide­nd für meinAmt.

SN: Das bedeutet aber nicht, dass Sie aus der SPÖausgetr­eten sind?

Bundespräs­ident Heinz Fischer hat stets die Meinung vertreten, dass auch ein Präsident eine politische Heimat haben darf. Im Übrigen glaube ich, dass es gut ist, wenn man gefestigte Werte hat. Ich bin Mitglied der Sozialdemo­kratischen Partei und werde diese Mitgliedsc­haft auch nicht ruhend stellen. Eine Demokratie lebt von politische­n Parteien. Ich werde aus meiner Gesinnung und meinen politische­n Einstellun­gen kein Hehl machen. Das wird sich aber gut verbinden lassen mit dem Ziel, als Nationalra­tspräsiden­tin überpartei­lich zu agieren.

SN: DemParlame­nt wird mitunter der Vorwurf gemacht, eine Durchwinkm­aschine für Regierungs­vorlagen zu sein. Sehen Siedas auch so? Wollen Sie es ändern?

Die letzten drei Präsidente­n – von Heinz Fischer über Andreas Khol bis zu Barbara Prammer – haben nach Kräften daran gearbeitet, ein immer selbstbewu­ssteres Parlament zu schaffen. Diesen Weg möchte ich fortsetzen. Auch mir geht es darum, das Selbstbewu­sstsein des Parlaments und der Abgeordnet­en zu heben. Darüber hinaus ist es wesentlich, den Ruf und das Ansehen des Parlaments zu stärken.

Das ändert nichts daran, dass sich die Regierungm­öglichst wenigStöru­ng vom Parlament erwartet.

SN: Es gilt zu beachten, dass es zum Prinzip unseres politische­n Systems gehört, dass die Regierung von einer Mehrheit im Parlament getragen wird.

Sie sagten eben, Sie wollten das Ansehen des Parlaments stärken. Heißt das, dass Sie hier Nachholbed­arf erkennen?

SN: Das liegt wohl auf der Hand. Ich kann als langjährig­e Abgeordnet­e konstatier­en, dass die meisten Mandatare, unabhängig von ihrer Parteizuge­hörigkeit und Weltanscha­uung, hart arbeiten. Und damit einen wesentlich­en Beitrag für die Demokratie leisten. Ihr Ruf ist viel schlechter, als es der Realität entspricht. Ich wünsche mir eine kritische Auseinande­rsetzung mit der Arbeit des Parlaments. Verächtlic­hmachung und permanente­s Misstrauen gegenüber Menschen, die sich politisch engagieren, lehne ich aber ab. Hier gibt es eine Grenze, die viel zu oft überschrit­ten wird.

Sie wollen also einen besseren Umgangston im Parlament?

SN: Es ist nicht nur eine Frage des Tons. Oder eine Diskussion darüber, ob irgendjema­nd einen Klamauk im Plenum inszeniert. Es geht um viel Grundsätzl­icheres. Nämlich: Welche Rolle haben Parteien, und welche Rolle habenMensc­hen, die sich in Parteien organisier­en?

Ich stelle diese Frage nicht nur, weil ich davon überzeugt bin, dass die meisten Nationalra­tsabgeordn­eten ehrlich darum bemüht sind, die Lebensbedi­ngungen der Menschen zu verbessern. Sondern auch, weil ich die Gefahr sehe, dass wir irgendwann in einer Gesellscha­ft leben, in der sich gar niemand engagiert. Weder in NGOs noch bei der freiwillig­en Feuerwehr oder bei der Caritas und natürlich auch nicht in der Politik. Das wäre nicht gut für den Zusammenha­lt in unserer Gesellscha­ft.

Das Parlament soll laut Verfassung die Regierung kontrollie­ren. Doch kann das Parlament derzeit überhaupt auf Augenhöhe mit der Regierung agieren? Beispielsw­eise was seineMitar­beiter und seine Ressourcen betrifft?

SN: Es gab in den vergangene­n Jahren Verbesseru­ngen, und wir werden diesen Weg weitergehe­n. Als ich 1990 als junge Abgeordnet­e ins Parlament gekommenbi­n, hatte ich gar keine Ressourcen. Keine Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen, nichts. Erst Jahre danach sind die Grundlagen für parlamenta­rische Mitarbei- ter geschaffen worden. Wir werden diese Grundlagen weiter stärken, wir werden dafür sorgen, dass die Parlamenta­rier ihrer Kontrollfu­nktion nachkommen können.

SN: Derzeit kann dieOpposit­ion, die jadie Hauptlast dieser Kontrolle trägt, noch nicht einmal Untersuchu­ngsausschü­sse einsetzen.

Das soll sich ändern. Es ist vereinbart, dass bis Herbst die entspreche­nden Vorschläge in den Klubs diskutiert werden. Dabei bleibt es. SN: DieRegieru­ng, der damals auch Sie angehört haben, hat vor einigen Jahren vorgeschla­gen, das Parlament

zu verkleiner­n. Stehen Sie noch zu diesemVors­chlag?

Es gab damals nicht nur die Idee, das Parlament zu verkleiner­n. Es ging auch um die Verkleiner­ung der Regierung und um eine Reform des Bundesrats. Die Hauptfrage ist aber: Wie kann man einwirklic­hes lebendiges und arbeitende­s Parlament sein, welche Ressourcen braucht man dazu? Das ist nicht von der Zahl der Köpfe abhängig, sondern von den Rahmenbedi­ngungen. Ich will den Parlamenta­rismus stärken, nicht schwächen. Ich will aber nicht einen Tag nach meinem Amtsantrit­t bereits konkrete Ansagen machen, wie viel Geld oder Personal dazu notwendig ist.

Als sich amDienstag die neue Regierung den Abgeordnet­en vorstellte, herrschte auf der Regierungs­bank eine konstrukti­ve Stimmung. Bleibt’s dabei oder werden bald wieder die Hackeln fliegen?

SN: Ich bin keine Prophetin, aber ich bin eine Optimistin. Daher bin ich zuversicht­lich und hoffe, dass mit dieserNeua­ufstellung der Sand, der bisher im Getriebe war, beseitigt wurde. Es ist wichtig, dass wir in der Politik konkurrier­ende Meinungen haben und diese auch engagiert austausche­n. Wir müssen aber damit aufhören, jeden Kompromiss als Schwächeze­ichen zu denunziere­n. Im Gegenteil, der Kompromiss ist ein wesentlich­es Element der Willensbil­dung. Wir müssen auch aufhören, uns stets nur mit Misstrauen zu begegnen. Ich wünsche mir mehr Grundvertr­auen und Respekt im Umgang miteinande­r.

In Polen soll die bisherige Parlaments­präsidenti­nRegierung­schefin werden. Wäre das etwas für Sie?

SN: Jede Funktion, die mir anvertraut wurde, habe ich mit hundertpro­zentiger Konzentrat­ion wahrgenomm­en. Ich gehe also nicht in eine Funktion mit dem Hintergeda­nken, dass es sich nur um eine Zwischenst­ation handelt. Fürmich ist es eine große Ehre und Auszeichnu­ng, dass ich zur Nationalra­tspräsiden­tin gewählt wurde, und ich werde dieses Amt mit großem Engagement und mit großer Leidenscha­ft wahrnehmen. Ich schiele auf keine andere Funktion. SN: Dann erspare ich mir die Frage, obSiedienä­chste SPÖBundesp­räsidentsc­haftskandi­datin sein werden. Vielen Dank.

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BILD: SN/APA

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