Wohin mit den britischen Atom-U-Booten?
Ein Ja zu einem unabhängigen Schottland würde der NATO großes Kopfzerbrechen bereiten.
Das Thema steht auf keiner Tagesordnung und es wird beim NATO-Gipfel in Wales auch auf den Fluren kaum angesprochen werden. Wenn die Generäle mit den Staats- und Regierungschefs und deren Außen- und Verteidigungsministern heute, Donnerstag, und morgen, Freitag, in Newport zusammenkommen, geben sie sich äußerlich unbeschwert. Dennoch ist leichte Sorge über ihr Gastgeberland zu vernehmen. Denn dem Vereinigten Königreich steht in drei Wochen das Votum über Schottlands Unabhängigkeit bevor. Die Folgen könnten nach Überzeugung führender Militärexperten „enorme Auswirkungen für Europa, für die NATO und für den UNO-Sicherheitsrat haben“. Großbritannien ist ein Stützpfeiler der westlichen Allianz. Wenn eine Mehrheit der Schotten am 18. September jedoch dafür stimmt, das derNorden der Britischen Inseln im Jahr 2016 ein eigenständiger Staat wird, dann wird durch den Wegfall der schottischen Regimenter auch BARBARA KLIMKE berichtet für die SN ausGroßbritannien die Truppenzahl der britischen Streitkräfte erheblich reduziert.
„Der Bruch mit Schottland wäre für den Rest des Vereinigten Königreichs ein erheblicher Verlust, und zwar weit mehr, als der schottische Bevölkerungsanteil von zehn Prozent andeuten kann“, sagt Philipps O’Brien, Leiter der Abteilung Mili- tärstudien an der Universität Glasgow. „Es würde sich die Frage stellen, in welchem Umfang Großbritannien, eine Atom-Seemacht, dann noch ihre internationalen Ressourcen erhalten kann.“Die vier britischen Atom-U-Boote liegen seit vierzig Jahren in Schottland. Ihr Hafen ist in Faslane nördlich von Glasgow, an den stillen Ufern der Mündung des Clyde, umgeben von bewaldeten Hügeln. Erklärtes Ziel der Unabhängigkeitspartei SNP ist, die nuklearen Sprengköpfe aus einem souveränen schottischen Staat zu verbannen. Ministerpräsident Alex Salmond hat denWählern eine „gusseiserneGarantie“gegeben, ein souveränes Schottland zur atomwaffenfreien Zone zumachen.
Das Problem für London besteht darin, dass es derzeit keine Aus- weichhäfen für das dent-Programm gibt.
Ex-NATO-General George Robertson, ein Schotte, hat ein Unabhängigkeitsvotum als „katastrophal“bezeichnet. Die „Washington Post“zitiert ihnmit denWorten, eine Ausweisung der U-Boote aus Schottland könnte „einer nuklearen Entwaffnung des Vereinigten Königreichs“gleichkommen. Vor diesem Hintergrund sei es verständlich, dass international wenig Enthusiasmus für Schottlands Unabhängigkeitsdrang zu spüren ist. US-Präsident Barack Obama erklärte kürzlich, die Vereinigten Staaten hätten „ein tiefes Interesse daran, dass einer unserer engsten Verbündeten ein Partner in Einheit bleibt“.
Wiewenig verlässlich die Militärmacht Großbritannien für die USA
britische
Tri- geworden ist, hatte das britische Parlament im vergangenen Jahr bereits mit dem Nein zu Einsätzen in Syrien unter Beweis gestellt.
Müssten die Atom-U-Boote tatsächlich aus Faslane abgezogen werden, böten sich nach einer neuen Untersuchung des Militärforschungsinstituts RUSI theoretisch Plymouth an der Kanalküste und als zweitbeste Variante Milford Haven inWales an. Beide Häfen abermüssten erst massiv ausgebaut und adaptiert werden. Ein Standortwechsel bis 2020, wie von der SNP gewünscht, ist laut dem Report höchst unwahrscheinlich. Das britische Verteidigungsministerium kommentiert die Sache nicht. „Wir planen nicht für den Fall der schottischen Unabhängigkeit“, heißt es kategorisch.