Mörder-Miliz wirkt abstoßend
Die IS-Terroristen haben neuerlich einen westlichen Journalisten auf bestialische Weise ermordet. Die Fanatiker gewinnen damit keine Anhänger, sondern lösen auch im Nahen Osten nur noch Entsetzen aus.
Nach James Foley wurde nun auch Steven Sotloff ermordet. Der 31-jährige Journalist ist nicht enthauptet worden, so wie dies saudische Henker mit einem gezielten Hieb nach dem Freitagsgebet auf dem Marktplatz von Riad tun. Steven, dessen jüdischer Glaube dieMedien bis zu seinemTod aus naheliegenden Gründen verschwiegen hatten, wurde von einem dschihadistischen Psychopathen vor laufender Kamera bestialisch abgeschlachtet. Die Hinrichtung, so brüsten sich die islamistischen Terrormilizen, sei eine Vergeltung für amerikanische Luftangriffe auf nordirakische Städte gewesen.
Nach vorläufiger Prüfung des Bildmaterials gibt es wenig Zweifel, dass Sotloffs schwarz gekleideter, maskierter Mörder derselbe Mann mit britischem, erkennbar Londoner Akzent ist, der im August in Syrien den Journalisten James Foley enthauptet hat. „Hier bin ich wie-
Osama Bin Laden gilt als Abweichler
der, Obama. Ich bin zurück wegen deiner arroganten Außenpolitik gegenüber dem ,Islamischen Staat‘“, sagt der Mann, der nach Hinweisen entlassener Geiseln als „Dschihad John“bekannt geworden ist.
Weitere Horrorinszenierungen wurden von den Fanatikern in Aussicht gestellt. Das nächste Opfer der Dschihadisten könnte ein in Syrien entführter britischer Journalist sein. Zudem wurden in den vergangenen Tagen vom ,Islamischen Staat‘ (IS) vor laufenden Kameras auch libanesischen und kurdischen Soldaten enthauptet.
Mit ihren Mordtaten wollen die Dschihadisten erschrecken und abschrecken. Der Umgang mit dem Schlachtermesser wird in den Foren der Terrormilizen als ein Zeichen der Stärke, der Überlegenheit und Unbesiegbarkeit gefeiert. In ihrem Blutrausch übersehen die Dschihadisten jedoch, dass sie auf die Bombardements der US-Luftwaffe und das Vorrücken kurdischer Verbände keine militärischen Antworten haben: So analysiert der Sicher- heitsexperte der BBC, Frank Gardener, die Lage.
AufNiederlagen reagieren die ISKämpfer mit blankem Terror. „Mit ihren Horrorvideos betteln sie den US-Präsidenten geradezu umweitere Bombenangriffe“, schreibt der ehemalige Kriegsberichterstatter der „New York Times“, Dexter Filkins, und fragt: „Welche Vorteile können sich diese Leute von ihren Aktionen erhoffen?“
Selbst imMittleren Osten stoßen die dschihadistischen Terrormilizen mit ihren Mordorgien auf Ablehnung und Entsetzen. Mit dem wahren Islam, betonen inzwischen fast alle Muslime, habe der „Islamische Staat“nichts zu tun. Das heißt aber nicht, dass sich große Mehrheiten gegen hemmungslos terrorisierende Minderheiten auch durchsetzen können. Terror alsMittel zur Machtausübung und zum Machterhalt ist in den meisten Staaten des Nahen Ostens seit Jahrzehnten an der Tagesordnung.
Das weiß auch die Terrormiliz „Islamischer Staat“, deren Führungskader in Syrien und dem Irak aufgewachsen sind, in Diktaturen, die sich durch einen mühelosen Rückgriff zu Gewalt ausgezeichnet haben. Der irakische Despot Saddam Hussein verstand nur die Sprache der Gewalt, die ihn vor zwölf Jahren auch zur Strecke brachte.
Auch Abu Bakr al Bagdadi, der selbst ernannte Emir des „Islamischen Staats“, ist offenbar davon überzeugt, dass Terror die beste Antwort auf militärische Vorgehen der Amerikaner ist. Er könnte jedoch auf dem Holzweg sein, schreibt Terrence McCoy in einem Beitrag für die US-Zeitung „Washington Post“.
Um seine These zu belegen, zitiert der amerikanische Politologe Osama Bin Laden. In einem seiner seltenen lichtenMomente hatte der Gründer des Terrornetzwerks Al Kaida kurz vor seinem Tod die „wahllose Brutalität unserer Brüder“kritisiert und seine Anhänger aufgefordert, „aus ihren Fehlern zu lernen“. Mit blankemTerror, erklärte sogar Bin Laden, „werden wir zwar einige Schlachten gewinnen, den Krieg am Ende jedoch verlieren“. Für Abu Bakr al Bagdadi ist selbst Osama Bin Laden „ein Abweichler“.
Die USA nehmen die Kampfansage des „Islamischen Staats“an. Nach der Ermordung des zweiten Amerikaners innerhalb von nur zweiWochen erklärte Präsident Barack Obama, die Supermacht werde sich durch die Brutalität der Extremisten nicht einschüchtern lassen. „Unser Arm reicht weit – und wir werden sie zur Verantwortung ziehen“, versicherte der Präsident. Was auch immer dieMörder des Journalisten Steven Sotloff sich von dieser „barbarischen“Tat erhofft hätten, sei jetzt bereits gescheitert. „Wir werden dafür sorgen, dass der IS keine anhaltende Bedrohung für die Region bleibt.“
Der US-Präsident äußerte sich nach der Bestätigung der Echtheit des Videos, das die Enthauptung des Reporters zeigt, der für das „Time“-Magazin und andere US-Medien aus Syrien berichtet hatte. Wie in dem vor zweiWochen inUmlauf gebrachten Film, der die Enthauptung
des Journalisten James Foley zeigt, kniete Sotloff in einem orangenGefangenenanzug auf dem Boden. SeineGeiselnehmer zwangen ihn, vor laufender Kamera Obama die Schuld an seinem bevorstehenden Tod zu geben.
Unklar blieb, wann die Extremisten die beiden Journalisten umbrachten. Am selben Tag, wie Analysten der Regierung vermuten, oder mit zeitlichem Abstand, wie ein Sprecher der Familie Sotloffs annimmt. Die Mutter des Reporters hatte vor einerWoche in einem verzweifelten Fernsehappell an den Führer des Kalifats, Abu Bakr al Bagdadi, um Gnade für Steven gebeten: „Benutzen Sie Ihre Autorität, um sein Leben zu verschonen.“
Der Tod des Journalisten erhöht den Druck auf dasWeiße Haus, den Kampf gegen den „Islamischen Staat“zu verstärken. Der demokratische Senator Ben Nelson aus Sotloffs Heimatstaat Florida will im Kongress einGesetz einbringen, das dem Präsidenten erlaubt, Ziele
Neue Bluttat der IS-Kämpfer erhöht den Druck auf US-Präsident Obama, den islamistischen Terror in Nahost zu stoppen
in Syrien anzugreifen. Obama selbst dämpfte Erwartungen an eine schnelle Lösung des Problems. „Es wird einige Zeit und Anstrengen brauchen“, sagte er.
Unmittelbar danach entsandten die USA 350 zusätzliche Soldaten in den Irak, die „diplomatische Einrichtungen und Personal“schützen sollen. Das Eingeständnis Obamas, noch keine Strategie gegen den „Islamischen Staat“in Syrien zu haben, hatte vorigeWoche heftige Kritik ausgelöst. Republikaner wie auch einige Demokraten verlangten Luftschläge der US-Streitkräfte gegen die IS-Kämpfer auf syrischer Seite.
Unabhängige Experten wie der frühere Terrorabwehr-Koordinator des Außenministeriums, Daniel Benjamin, halten die Entscheidung Obamas, nichts zu überstürzen, für völlig richtig: „ÖffentlicherDruck ist oft der Feind guter Politik.“Luftschläge ohne eine Koalition, die diese für einen Vorstoß mit Bodentruppen nutzen könne, seien „nicht effektiv“.