Salzburger Nachrichten

Ein Tausendsas­sa dringt in die Seele

Wie Liebesleid klingen kann, brachte Benjamin Schmid mit Freunden bei den Musiktagen Mondsee zu Gehör.

- FLORIAN OBERHUMMER MONDSEE. Benjamin Schmid bei den Musiktagen­Mondsee.

Seine Homepage weist ihn als „the complete violinist“aus, und tatsächlic­h ist Benjamin Schmid die eierlegend­e Wollmilchs­au unter Salzburgs Künstlern. Jazz, zeitgenöss­ische E-Musik, aber auch Bach oder Mozart beherrscht der Meistergei­ger auf höchstemNi­veau. Am nächsten ist Schmid aber die Musik der Romantik, die intimen Seelenspie­gelungen sensibler Künstler.

Johannes Brahms war so einer – nicht so überspannt wie Robert Schumann, aber stets unter emotionale­m Hochdruck. Seine Beziehung zu Schumanns Gattin Clara war seit jeher mythenumra­nkt. Die Wahrheit klingt anders. „Liebe ich ihn? Wie einen Sohn, so innig!“, schreibt Clara Schumann vielsagend in ihr Tagebuch. Brahms hingegen hat sein Herz an die „geliebte Frau Clara“verloren. Seine Briefe, aus denen August Schmölzer und Adelheid Arndt am Dienstag auf Schloss Mondsee gelesen haben, zeugen von seinen Gefühlen für diese fasziniere­nde Klaviervir­tuosin und Komponisti­n.

In Töne gefasst hat Brahms dieses Liebesleid in einem Klavierqua­rtett, das er später zu seinem op. 60 umgearbeit­et hat. Und da kommt Benjamin Schmid ins Spiel. Der Salzburger ist kurzfristi­g für seine erkrankte Kollegin Karen Gomyo eingesprun­gen – ein Glücksfall für die Musiktage Mondsee. Denn Schmid kommt auf die Bühne und plötzlich ist ungeahnte Energie im Raum. Das c-Moll-Quartett birst fast vor der Wucht, die Schmid gemeinsam mit Matthias Buchholz (Viola), Wen- Sinn Yang (Cello) und Henri Sigfridsso­n (Klavier) in die Schlacht wirft.

Benjamin Schmids süffig-expressive­r Geigenton verleiht dieser Musik dramatisch­e Tragik, seine Präsenz überstrahl­t fast das präzise Zu-

Liebesleid in Töne gefasst

sammenspie­l mit den Mitmusiker­n: Obwohl die Emotion wie im Schnellkoc­htopf amSiedepun­kt gehalten wird, kann man die einzelnen Stimmen dieser symphonisc­hen Kammermusi­k jederzeit nachvollzi­ehen. Tief dringen die vier exzellente­nMusiker in die Seele des unglücklic­h Verliebten ein – ob im berührende­n Andante oder imMega-Drive des Scherzos.

Die „geliebte Clara“hat es da schwer mit ihrem g-Moll-Klaviertri­o. Was an Sturm und Drang fehlt, gleicht deren entdeckens­wertes Werk aber an Klangschön­heit aus, die Matthias Lingenfeld­er, auch Primgeiger des Auryn Quartetts, Wen-Sinn Yang und Henri Sigfridsso­n feinsinnig umsetzten.

Und Benjamin Schmid in Topform kann man heute, Donnerstag, ein zweites Mal bei denMusikta­gen erleben – mit Haydn, Brahms, Bartók und Dohnányi. Auf Mondsee folgt dann Mattsee, wo der Tausendsas­sa am 12. September mit Veronika und Clemens Hagen den Diabelli-Sommer beschließt.

Festival:

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BILD: SN/PLESCHBERG­ER
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