Keimlinge haltenHühner bei Laune
Wie bei Heumilchprodukten gehen innovative Bauern auch in der Viehhaltung neue Wege – zurück zu altbewährten Methoden.
Wenn Manfred Söllradl in den Wintergarten seiner 6000 Hendln geht, kommen die neugierigen Vögel gleich näher. Sie hoffen auf Futter. Das Besondere dabei: Der Landwirt, der mit seiner Familie einen stattlichen Vierkanter im oberösterreichischen Kremsmünster bewirtschaftet, hat auf einem Handschauferl Keimlinge verschiedenster Getreidesorten dabei. Söllradls Legehennen sind es gewöhnt, neben dem Trockenfutter auch Keimlinge zu bekommen. Der Besitzer sagt dazu: „Hühner zeigen uns draußen, was sie am liebsten fressen – keimende Saaten und nicht trockene Körner.“
Fast bis zur Hälfte mischt der Bauer die Keimlinge – etwa Roggen oder Weizen – dem Hühnerfutter bei. Den Effekt beschreibt Söllradl, der auch geschäftsführender Ge- schäftsführer der Firma Eiermacher, des größten österreichischen Vermarkters von Bio-Eiern, ist, so: Das angekeimte Getreide sei für die Hühner leichter verdaulich, fördere die Tiergesundheit und sei obendrein für den Landwirt sogar etwas billiger. Für die Eier aus konventioneller Haltung erziele der Halter einen um einen Cent höheren Preis gegenüber normaler Bodenhaltung, „das entspricht rund zehn Prozent“, sagt Söllradl. Unter dem Markennamen „gut gekeimt“sind die Eier bei Interspar und Eurospar gelistet. Die bessere Verdauung ergebe auch festere Eierschalen.
Ein weiterer Vorteil sei, dass Landwirte ihr eigenes Getreide veredeln können und die Futteraufbringung dadurch auch regionaler möglich sei. Vor allem Hülsenfrüchte wie Erbsen, Pferdebohnen, Soja oder Wicke seien hochwertige Eiweißquellen. „In einem Keimling ist alles an Kraft schwärmt Söllradl.
Der Landwirt und Eiervermarkter beschäftigt sich seit fünf Jahren intensiv mit der alternativen Fütterungsmethode für die Hühner. „Der Ausgangspunkt war eine EU-Vorgabe“, erzählt Söllradl – nämlich, ab 2012 nur noch biologisches Futter für Hühner zu erlauben. Die Frage sei gewesen, wie man die Versorgung der Hühner mit Eiweiß und Vitaminen bewerkstellige.
So besann sich Manfred Söllradl auf die altbewährte Methode, gekeimtes Getreide zu nutzen. Das sei früher imWinter weitverbreitet gewesen und habe sich nach dem Zweiten Weltkrieg drastisch geändert, als Soja als Eiweißquelle verfügbar war und auch künstlich hergestellte Aminosäuren. Dabei „entstehen Vitamine und Aminosäuren im keimenden Getreide ganz ohne Gentechnik“, erklärt Söllradl.
mobilisiert“,
Bei seinen Nachforschungen stieß er sogar auf Vorbilder aus seiner Heimatregion, die 400 Jahre zurückreichen. Damals waren die Grüntaler die Herren auf Schloss Kremsegg bei Kremsmünster. In einem „Haushaltungsbüchl“aus der Zeit um 1600 ist verzeichnet, dass für Kapaune (kastrierte Hähne) neben Küchenabfällen auch gekeimte Erbsen als Futter empfohlen wurden, und für die „indianischen Hühner“(so wurden Truthähne nach der Entdeckung Amerikas zunächst genannt) wurde zu Topfen und gekeimtem Hafer („geschwöllter Habern“) als Zusatzfutter geraten. Ein anderes Vorbild ist die Brauwirtschaft. Für Bier wird eine Menge gekeimtes Getreide (Malz) benötigt. Söllradl orientierte sich an den entsprechenden Hygieneund Qualitätsvorschriften und entwickelte eineMaschine für denVorgang, das sogenannte Keimrad, das wie eine großeWaschtrommel aussieht. In acht Kammern werden bis zu 100 Kilogramm Getreide eingefüllt, vier Tage lang mit Wasser gespült und regelmäßig gewendet. In zahlreichen Versuchen wurden unterschiedliche Futtermischungen getestet. Nun sei das Konzept marktreif, sagt Söllradl. Hühnerhalter in mehreren Bundesländern setzen bereits auf gekeimtes Futter. Der Tiroler Landwirt Thomas Walser aus Zams füttert seineMasthühner, die er als Zammer Sonntagshendl vermarktet, ebenfalls damit.
Söllradl ist optimistisch, nächstes Jahr fünf bis zehn Betriebe zur Umstellung auf sein Fütterungsmodell gewinnen zu können. Er hat rund 30.000 Euro in sein Projekt investiert – mit internationalem Anspruch: „Wir sind europaweit ganz vorn dabei.“Sowachse in Polen und in Norddeutschland hauptsächlich Roggen, da sehe er Potenzial.