Salzburger Nachrichten

Island hat Europas aktivste Vulkane

Glühende Lava schießt derzeit aus dem Vulkan Bárdarbung­a. Hier lässt sich die Erde bei der Arbeit zuschauen.

- URSULA KASTLER WIEN, SALZBURG.

Er soll so hässlich gewesen sein, dass ihn Göttermutt­er Juno vom Olymp stürzte. Dafür hat sich Vulcanus später gerächt, doch vorher entfaltete er all seine Talente und wurde der Schmied der Götter. Auf der Insel Vulcano, eine der Liparische­n Inseln im Tyrrhenisc­hen Meer, befand sich seine Werkstatt. Die feuerspeie­nden Berge sind seitdem nach ihm benannt.

Auf Island räumt Vulcanus, der Gott des Feuers, gerade in seiner Schmiede ordentlich um. Aus der Nordflanke des Vulkans Bárdarbung­a spritzt seit Sonntag aus einem zwei Kilometer langen Riss nördlich des Gletschers Vatnajökul­l Lava aus einer Felsspalte 150 Meter in die Höhe. Island ist Teil des Mittelozea­nischen Rückens, eines mehr als 60.000 Kilometer langen Gebirgszug­s, der fast zur Gänze unter Wasser liegt. Nur wenige Gipfel dieses längsten Gebirges unserer Erde ragen über den Meeresspie­gel. Island ist die größte dieser Inseln. Island wurde vor 20 Millionen Jahren geboren und wächst noch.

Hans Egger, Paläontolo­ge und Vulkanexpe­rte an der Bundesan- stalt für Geologie in Wien, erklärt die Details: „Island sitzt geologisch gesehen an der Grenze zwischen Europa und Amerika. Diese beiden Platten driften rund vier Zentimeter pro Jahr auseinande­r. Der Mittelozea­nische Rücken besteht aus Vulkangest­ein, vor allem aus Basalt, das an der Grenze dieser auseinande­rdriftende­n Erdkrusten­platten aus dem Erdinnern empordring­t.“

„Niemand kann genau vorhersage­n, ob und wann ein Vulkan ausbricht.“

Hans Egger, Geologe

Die auffällige­Größe Islands zeigt, dass die Lavaförder­ung dort besonders hoch sein muss. Solche Orte, an denen besonders viel Lava aus dem Erdinnern emporsteig­t, werden von den Geologen Hot Spots genannt. Island ist eines der vulkanisch aktivsten Gebiete der Erde, etwa alle drei Jahre macht sich dort ein Vulkan mit einer Eruption bemerkbar. 2011 brach die Grimsvötn aus, die im Gebiet der Bárdarbung­a liegt. Im Jahr davor legte die Eyjafjalla­jöküll mit ihren Aschewolke­n den europäisch­en Flugverkeh­r lahm. Im Vergleich zu großen Eruptionen um 934 und 1783 war dieser Ausbruch im Jahr 2010 winzig. Doch die Lava floss nicht ruhig aus, sondern bahnte sich mit Explosione­n denWeg.

Das befürchten die Isländer auch für die Bárdarbung­a, den zweithöchs­ten Berg Island, dessen Kuppel unter meterdicke­mGletscher­eis verborgen ist. „Explosive Ausbrüche entstehen, wenn die Lava große Mengen Gas enthält, das bei der plötzliche­n Druckentla­stung schlagarti­g entweicht wie beim Öffnen einer Bierflasch­e, die vorher geschüttel­t wurde. Explosione­n passieren auch, wenn das aufsteigen­de etwa 1000 Grad heiße Magma, also das geschmolze­ne Gestein, mit Wasser in Verbindung kommt, das sofort verdampft“, stellt Hans Egger fest. Der explosive Ausbruch der Eyjafjalla­jöküll entstand, weil durch die austretend­e Lava der über dem Vulkan liegende Gletscher schmolz und großeMenge­nWasser in die brandheiße Lava flossen.

Im Gebiet des heutigen Island kam es vor 54 Millionen Jahren zu riesigen Ereignisse­n, deren Aschenlage­n sich auch in den Alpen nach- weisen lassen. Die bis zu drei Zentimeter dicken Schichten wurden in Anthering und am Untersberg bei Salzburg und in Gams in der Steiermark gefunden. Forscher der Geologisch­en Bundesanst­alt untersuche­n sie.

Bei der Entstehung eines Vulkans sind unbändige Kräfte aktiv: Die Erdkruste schwimmt auf dem Erd- mantel. Die Kruste ist in die Kontinenta­lplatten zerbrochen, die sich gegeneinan­der verschiebe­n. Das löst zum einen Erdbeben aus. Zum anderen kann sich dort, wo die Erdkruste aufbricht, glühendes geschmolze­nes Gestein (Magma) aus dem Erdinnern einen Weg an die Oberfläche bahnen. Damit ist ein Vulkan entstanden. Magma, das an die Erdoberflä­che gelangt, nennen die Geologen Lava.

Warum manche Gebiete Vulkane haben und andere nicht, war lange Zeit unbekannt. Das Rätsel löste 1912 der deutsche Geowissens­chafter Alfred Wegener. Er hat herausgefu­nden, dass die Kontinente nicht fest verankert auf der Erdkruste liegen, sondern sich bewegen. Mehr als 90 Prozent aller Vulkane liegen an den Plattengre­nzen, wo Magma aufsteigen kann.

Vulkane sind unberechen­bar. Einen Ausbruch zuverlässi­g vorherzusa­gen gelingt den Wissenscha­ftern trotz moderner Methoden bis heute nicht. Deshalb können die Isländer derzeit auch nichts anderes tun, als die Schwere der Erdbeben, die das Aufsteigen des Magma begleiten, zu messen und rechtzeiti­g auf dieses „Rumoren“zu horchen.

 ?? BILDER: SN/AP/DPA ?? Aus dem Vulkan Bárdarbung­a schießen Lavafontän­en in die Höhe. Zuvor machten sich Dampfwolke­n bemerkbar (kleines Bild oben). Das Gebiet ist von einem Gletscher bedeckt.
BILDER: SN/AP/DPA Aus dem Vulkan Bárdarbung­a schießen Lavafontän­en in die Höhe. Zuvor machten sich Dampfwolke­n bemerkbar (kleines Bild oben). Das Gebiet ist von einem Gletscher bedeckt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria