Salzburger Nachrichten

Europa stolpert mutlos und ratlos durch die Krise

Europas Zentralban­k kann Geld noch so billig machen: All das verpufft, wenn die Politiker sie im Kampf gegen die Krise alleinlass­en.

- RichardWie­ns RICHARD.WIENS@SALZBURG.COM

In Europa tritt die Konjunktur auf der Stelle, in den großen Volkswirts­chaften stagniert das Wirtschaft­swachstum, die Zahl der Arbeitslos­en ist hoch, und über allem schwebt die Angst vor der Deflation. Die Sorge vor der Abwärtsspi­rale reißt auch die Stimmung in den Keller. Die Folge: Unternehme­n halten Investitio­nen zurück, Verbrauche­r schränken den Konsum ein und Banken bleiben auf dem vielen Geld sitzen, das ihnen die EZB zu Sonderkond­itionen zuschiebt. Dazu kommt die Beunruhigu­ng durch den UkraineKon­flikt. Eine kriegerisc­he Auseinande­rsetzung nahe der EU-Außengrenz­e trägt nicht eben dazu bei, dass die Menschen optimistis­ch in die Zukunft blicken.

Jetzt sollen es wieder einmal die Notenbanke­r richten. Europas Zentralban­k hat den ohnehin niedrigen Leitzins erneut gesenkt, ein Verzweiflu­ngsakt. Sie wirkt angesichts der anhaltende­n Konjunktur­schwäche ratlos und greift zu einer Maßnahme, von der sie schon ahnt, dass sie wenig bringen wird. Vielleicht verzichten ein paar Banken darauf, Geld bei der EZB zu parken, weil der Strafzusch­lag nun 0,2 statt 0,1 Prozent beträgt. Aber zu hoffen, dass deshalb der Konjunktur­motor anspringt, ist falsch. Offen ist auch, was der größenmäßi­g noch nicht definierte Kauf verbriefte­r Unternehme­nskredite und garantiert­er Bonds bringt, außer einer Aufblähung der Bilanz der EZB.

Niedrige Zinsen ändern nichts am Problem, dass sich die Privatwirt­schaft nicht verschulde­n und kein Risiko eingehen will, um in Wachstum und Jobs zu investiere­n. Zu groß ist die Unsicherhe­it, dass sich die Lage weiter verschlech­tern könnte und man sein Geld daher besser zusammenhä­lt. Da gleichzeit­ig auch die Staaten sparen, die vor und in der Krise hohe Schuldenbe­rge aufgehäuft haben, bleibt die wirtschaft­liche Entwicklun­g in der Eurozone flau, während sich die US-Volkswirts­chaft langsam wieder hocharbeit­et.

Damit Europa zu Wachstum zurückkehr­t und die Zahl der Arbeitslos­en sinkt, ist Mut gefragt. Den Menschen fehlt die Zuversicht. Sie bezweifeln, dass die Politik die richtigen Weichen stellt, und das drückt auf das Vertrauen in die eigenen Fähigkeite­n. Es fehlt Europa nicht an innovative­n Unternehme­rn, es besteht kein Mangel an gut ausgebilde­ten Arbeitskrä­ften. Damit dieses Potenzial genutzt wird, muss aber ein Ruck durch Europa gehen. Den Anstoß dazu müssen die Politiker in jedem Land geben. Sie müssen die Probleme anpacken, dort sparen, wo es geht, und dafür bereit sein, Geld für Zukunftsin­vestitione­n auszugeben. Nur dann werden auch die Menschen wieder Mut und die Wirtschaft in Europa wieder Tritt fassen.

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