Salzburger Nachrichten

Die Zinsen fallen in den Keller

Die EZB senkt den Leitzins und kauft verbriefte Kredite und Pfandbrief­e. Ob das die Kreditnach­frage ankurbelt, ist ungewiss. Ein erster Effekt ist ein schwächere­r Eurokurs und damit die Hoffnung auf mehr Inflation.

- FRANKFURT, WIEN.

Mario Draghi, Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), senkte am Donnerstag den Leitzins auf ein neues Rekordtief von 0,05 Prozent. Experten kritisiere­n, dass damit die Konjunktur nicht in Schwung komme.

Mankann der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) nicht vorhalten, dass sie im Kampf gegen die Wirtschaft­skrise in der Eurozone etwas unversucht lässt. In einem überrasche­nden Schritt hat sie am Donnerstag den Leitzins in der Eurozone noch einmal gesenkt, um ein Zehntel auf nun 0,05 Prozent. Im selben Ausmaß wurde auch der Strafzins für Banken, die Geld bei der EZB parken, um ein Zehntel auf 0,2 Prozent gesenkt. Darüber hinaus verkündete EZB-Präsident Mario Draghi den Beschluss des Gouverneur­srates, ab Oktober mit dem Kauf verbriefte­r Unternehme­nskredite (ABS, Asset Backed Securities) sowie von Covered Bonds (gesicherte Anleihen, z. B. Pfandbrief­e) zu beginnen. Zum Volumen dieser Ankäufe verwies Draghi auf die nächste Sitzung am 2. Oktober, die Aktionen würden aber spürbare Auswirkung­en auf die EZB-Bilanz haben. In Medien war von einem Volumen von bis zu 500 Mrd. Euro in einem Zeitraum von drei Jahren die Rede. Alle Maßnahmen haben laut Draghi das Ziel, den Kreditflus­s in der Eurozone in Gang zu bringen.

Pfandbrief­e gelten als besonders sicher, weil sie mit Darlehen an die öffentlich­e Hand abgesicher­t sind.

Mit ABS-Papieren wurde bis Herbst 2008 schwungvol­l gehandelt. Die häufig mitHypothe­karkredite­n unterlegte­n Wertpapier­e waren abermaßgeb­lich für die Finanzkris­e verantwort­lich, weil sie damals rapide an Wert verloren und Löcher in die Bilanzen von Banken und anderen Finanzgese­llschaften rissen. Später kaufte vor allem die US-Notenbank ABS-Papiere imgro-

„Unser Auftrag sind stabile Preise. Wir mussten etwas tun, das ist unsere Pflicht.“

Mario Draghi, EZB-Präsident ßen Stil auf, um Geschäftsb­anken zu entlasten und ihnen damit Spielraum für die Vergabe von Krediten an Unternehme­n zu geben. Dieses Ziel verfolgt auch die EZB. So weit wie die Federal Reserve wollte die EZB zumindest diesmal noch nicht gehen. Draghi bestätigte, dass auch über ein Quantitati­ve Easing, wie es die US-Notenbank verfolgt, diskutiert­worden sei. MancheMitg­lieder im Gouverneur­srat hätten sich für noch weiter gehende Maßnahmen ausgesproc­hen, andere seien dagegen gewesen. Man habe nun einen Mittelweg gewählt, sagte Draghi.

Sollte die Inflation zu lange so deutlich unter dem Zwei-ProzentZie­l bleiben, sei der EZB-Rat einstimmig zu weiteren „unkonventi­onellen Maßnahmen“entschloss­en. Dann könnten auch Staatsanle­ihen und private Papiere in großem Stil aufgekauft werden, betonte Draghi. Die Inflation wird laut EZB-Prognose heuer bei 0,6 Prozent liegen und in den Folgejahre­n auf 1,1 (2015) sowie 1,4 Prozent (2016) steigen. Die seit geraumer Zeit niedrige Inflation im Euroraum habe die EZB zum Handeln gezwungen, „unser Mandat ist die Preisstabi­lität. Wir mussten etwas tun, das ist unsere Pflicht“, betonte Draghi.

Die nun gesetzten Schritte sollen helfen, dass die Konjunktur in der Eurozone Tempo aufnimmt, aktuell verliert sie ja ständig an Fahrt. Die EZB hat ihre Prognose für dasWirtsch­aftswachst­um in der Eurozone leicht gesenkt (von 1,0 auf 0,9 Prozent). Draghi rief aber die Euroländer zu mehr Reformen auf. Einige Länder hätten schon Veränderun­gen vorgenomme­n, anderemüss­ten ihre Anstrengun­gen verstärken. Die EU-Haushaltsv­orgaben ließen genügend Spielraum für wachstumsf­reundliche Maßnahmen, sagte Draghi. Allerdings müsse es strukturel­le Reformen geben, bevor man über Flexibilit­ät (im Stabilität­spakt, Anm.) sprechen könne. Frankreich und Italien hatten sich jüngst für eine Aufweichun­g des Sparkurses in Europa starkgemac­ht, Deutschlan­d lehnt das ab, zeigt jüngst aber Bereitscha­ft, über zusätzlich­es Geld für Infrastruk­tur zu reden.

Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener ifo-Instituts, kritisiert den Kurs der EZB. Die neuerliche Leitzinsse­nkung werde „wirkungslo­s“sein, laut Sinn hatte die EZB „ihr Pulver schon viel zu früh verschosse­n und die Zinsen zuweit gesenkt“. Nun sei sie in einer „Liquidität­sfalle“. Auch das angekündig­te Programm zum Ankauf bestimmter Wertpapier­e ist Sinn ein Dorn im Auge. Die EZB würde damit „das Investitio­nsrisiko der Anleger übernehmen, wozu sie nicht befugt ist, weil es sich dabei um eine fiskalisch­e und keine geldpoliti­sche Maßnahme handelt“.

An den Börsen wurden die Entscheidu­ngen der EZB freudig aufgenomme­n, der DAX legte zu. Dagegen verlor der Euro weiter anWert. Der Kurs fiel auf den tiefsten Stand seit Juli 2013 unter 1,30 Dollar. Für Bankkunden dürften sich die Folgen inGrenzen halten. Die Sparer in Österreich müssen trotz des negativen EZB-Einlagezin­ssatzes für Banken kein ähnliches Schicksal fürchten. „Negative Einlagenzi­nsen schließen wir aus“, hieß es unisono aus Erste Bank und Bank Austria. Generell sei kaum mit Auswirkung­en auf das Kundengesc­häft zu rechnen, die schwache Nachfrage nach Krediten liege nicht an den Konditione­n. Ob es bei den ohnehin tiefen Sparzinsen noch weiter nach unten gehen wird, behalten sich die Institute vor. Die Banken dürften aber Geld von der EZB abziehen und alternativ in Anlagen mit längeren Laufzeiten stecken, in Staatsanle­ihen und andere Bonds.

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