Salzburger Nachrichten

WarumMitte­rlehner das Gegenteil vonMichael Spindelegg­er ist

Und wieso eine plötzliche Regierungs­umbildung und neue Gesichter in der Politik für manchen heimischen Karikaturi­sten eine „künstleris­che Tragödie“bedeuten.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER MARTIN BEHR WIEN. ThomasWiza­ny, Karikaturi­st

„Verdammt! Jetztmüsse­n Haderer und Hörmansede­r Überstunde­n machen. . .“. Mit dieser Facebook-Eintragung reagierte dasWiener Rabenhof-Theater auf die kürzlich über die Bühne gegangene Regierungs­umbildung. Kein Wunder, steht doch am 19. September die Premiere der „runderneue­rten Puppenshow“der „Drüberrede­nSpezialis­ten“maschek und des Karikaturi­sten Gerhard Haderer auf dem Programm: „Bye-bye, Österreich!“Bye-bye Michael Spindelegg­er, welcome Reinhold Mitterlehn­er. Das bedeute freilich auch kreativen Stress für Haderer, dessen Entwürfe die Grundlagen für die Polit-Puppen im Rabenhof sind.

„Der Regierungs­wechsel ist für mich eine künstleris­che Tragödie“, sagt der 63-jährige Karikaturi­st. Er sei in Michael Spindelegg­er „unheimlich verknallt“gewesen, zumal er auf schlichte Charaktere stehe: „Und dann hat der noch so einen Gumpf mitten imGesicht. Toll.“Mit Mitterlehn­er komme nun die „im Windkanal gezeugte Eleganz“an die Spitze der ÖVP. Er, Haderer, habe sich ins Zeug legen müssen, um den „noch farb- und konturlose­n Politiker“künstleris­ch in den Griff zu bekommen. Wie er die Puppe angelegt hat? Gerhard Haderer will nur so viel verraten: Ein Hauch Django wird dabei sein.

maschek und er seien mittlerwei­le das Dreamteam in der rot-weißroten Polit-Kasperlbüh­ne, sagt Haderer. In der Rolle des Hofnarren

„Die Politik wurde stromlinie­nförmiger und damit auch die Gesichter.“

fühle man sich wohl noch eine Zeit wohl. Welcher Politiker am schwierigs­ten zu karikieren ist? „Generell sind es die höchst telegenen, gestylten und unglaublic­h hübschen Typen“, sagt Haderer. Ein ganz anderes Kaliber sei da Fred Sinowatz gewesen: „Er ist eigentlich schuld, dass ich mich mit der politische­n Karikatur auseinande­rgesetzt habe“. Die charakteri­stische Nase des Altkanzler­s sei auch dasVerbind­ende zu Michael Spindelegg­er.

Für die Stimme der Mitterlehn­erPuppe wird Peter Hörmansede­r von maschek verantwort­lich sein. „Er

Hiebeskumm­er . . . kommt wie ich aus Oberösterr­eich, seine Stimme ist nicht wahnsinnig auffällig. Ich kann da eigentlich so wie immer reden, vielleicht etwas hintertrie­bener“, sagt Hörmansede­r. Bei maschek gelte es ja generell, nicht Stimmen perfekt zu imitieren, sondern einen Charakter gut zu treffen. Spindelegg­er sei auch im realen Leben eineMarion­ette gewesen: „Als Politiker trauere ich ihm keine Sekunde nach, für das Puppenspie­l war er eine gute Besetzung.“Hans Jörg Schelling wird noch nicht als Puppe auftauchen: „Wir sparen da mal Holz, wer weiß, wie lang er bleibt.“Hörmansede­r vermutet, dass Schelling aufgrund seines Namens nominiert worden ist. Damit „die alten Leute glauben, der Schilling kommt zurück.“

Auch „Kurier“-Karikaturi­st Michael Pammesberg­er bekennt: „Es ist mir leid um den Spindelegg­er, weil er ein Typwar und in jeder Hinsicht ein Charakterk­opf.“Aber als Karikaturi­st müsse man jeden nehmen. Es sei ohnedies nur eine Frage der Zeit, bis sich der Charakter herauskris­tallisiere. Tendenziel­l sei aber mit Typen wie Faymann und Mitterlehn­er „alles ein bisschen glatter“geworden. Zwischen dem alten und dem neuen Vizekanzle­r könnte es laut Pammesberg­er, „optisch keinen größeren Unterschie­d geben“. Wenn man Spindelegg­er zeichne „und man macht dann das Gegenteil, dann kommt genau der Mitterlehn­er raus.“

Am Anfang sei es oft problemati­sch, wenn die Politiker noch nicht zur Figur geworden seien. „Eine Figur ist mehr als eine optische Erscheinun­g.“Es sei zwar wichtig, ei- Spindis Bye-bye Haderer Stress.

machte nen Charakterk­opf zu haben, aber generell sei es so, dass das Leben einem die Dinge ins Gesicht schreibe: „Das müssen wir Karikaturi­sten rauskitzel­n und rausfinden“, sagt Pammesberg­er. Freilich: „Es gibt Typen, die schaffen es nie, ein Profil zu kriegen – die kommendann auch in der Politik nicht weit.“

„Politiker, die nichts darstellen, sind schwer darstellba­r“, bestätigt SN-Karikaturi­st Thomas Wizany. Politiker, die einen ausgeprägt­en Charakter hätten, seien dagegen gut darzustell­en, Wolfgang Schüssel sei ein Beispiel dafür gewesen. Nach Kreiskys Zeiten sei es für die Karikaturi­sten in Österreich grundsätzl­ich schwierige­r geworden – „abgesehen von den Zwischenho­chs Sinowatz und Spindelegg­er.“

Wizanys Befund zum eher glatten Duo an der Regierungs­spitze: „Die Politik ist stromlinie­nförmiger geworden und damit auch die Gesichter“. Werner Faymann sei am Anfang sehr schwierig zu zeichnen gewesen. Bei Reinhold Mitterlehn­er sei es derzeit noch ähnlich. Wenn einer länger am Ruder sei, wisse man aber bald, wo man als Karikaturi­st einhaken könne.

Laut dem Altmeister der

politi- schen Karikatur, „Ironimus“Gustav Peichl, muss man einmal abwarten, ob die neuen Politiker „wirklich ein Gesicht“haben. „Aus meiner Sicht ist es so, dass Politiker, die kein Gesicht haben, keine Politiker sind.“Der 86-Jährige greift weiterhin zur Feder: „Heute werde ich mal den Finanzmini­ster zeichnen, weil ich glaube, der ist derWichtig­ste jetzt.“Anfangs müsse man genau schauen, was einer tue, wie er sein Gesicht verwende, wie er auftrete. Schelling werde durch die Steuerrefo­rm ein Gesicht bekommen.

Peichl schwärmt von Figl, Raab, Helmer, Pittermann und Firnberg Bei Hertha Firnberg habe man hinter den vielen Falten im Gesicht Härte und Durchsetzu­ngsfähigke­it gesehen. Auch Gusenbauer „hat ein Gesicht gehabt“. Spindelegg­er sei für die Politik nicht geeignet gewesen, weil er kein Alphatyp sei und Faymann sei „sowieso ein Langweiler“. Am liebsten hat Peichl Kreisky gezeichnet. Die Karikature­n seien dabei immer anders gewesen, einmal habe er die Brille betont, dann die Locken, dann die geschlitzt­en Augen. „Der Kreisky ist am Schluss so geworden, wie ihn die Karikaturi­sten gezeichnet haben.“

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY
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BILD: SN/PERTRAMER/RABENHOF Gerhard

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