Salzburger Nachrichten

In einerWelt der Unordnung

Binnen weniger Jahre sind alle Träume von einer Partnersch­aft mit Russland zerstoben. Angesichts der Aggression Moskaus gegen die Ukraine muss die NATO umsteuern.

- MICHAEL FISCHER SN, dpa

NEWPORT. Begleitet von Drohungen aus Moskau bereitet sich die NATO auf eine mögliche neue Ära der Konfrontat­ion vor. Die 28 Staatsund Regierungs­chefs der Allianz kamen am Donnerstag im walisische­n Newport zusammen, um die Truppenprä­senz in östlichen Bündnissta­aten zu verstärken und eine schnelle Eingreiftr­uppe gegen Aggressore­n an ihren Grenzen aufzustell­en. Die Führung in Moskau warnte das Bündnis in aller Schärfe, die Ukraine als Mitglied aufzunehme­n und die Gründungsa­kte des NATO-Russland-Rates von Mai 1997 aufzukündi­gen.

Wie schnell die Zeiten sich ändern! Als sich die NATO 2010 zu ihrem Gipfeltref­fen in Lissabon traf, sprach Generalsek­retär Anders Fogh Rasmussen von einem der wichtigste­n Treffen in der Geschichte des Atlantisch­en Bündnisses. Die NATO gab sich damals eine neue Strategie für das 21. Jahrhunder­t und lud Russland zur Koopera- tion beim Aufbau einer Raketenabw­ehr gegen Problemsta­aten wie den Iran ein.

Diplomaten träumten damals von einem „Verteidigu­ngssystem von Vancouver bis Wladiwosto­k“. Der russische Präsident Dmitrij Medwedew, den dieNATOnac­h Lissabon eingeladen hatte, nannte den Gipfel ein „historisch­es Ereignis“.

Politische Rhetorik wie imKalten Krieg

Die Welt schien Ordnung zu sein.

Vier Jahre später spricht Rasmussen wieder von einem der wichtigste­n Gipfel in der Geschichte der NATO. Aber sonst ist alles ganz anders: Der russische Präsident heißt wieder Wladimir Putin. Und die Beziehunge­n zwischen Russland und der NATO sind auf einem Niveau angelangt, das an die Zeiten des Kalten Krieges erinnert.

Inzwischen wird nicht mehr über ein Raketenabw­ehrsystem mit

einigermaß­en

in Russland, sondern über eines gegen Russland gesprochen. Die Welt ist in Unordnung, und die NATO kann ihre vor vier Jahren konzipiert­e Strategie im Grunde schon wieder über den Haufen werfen.

Bei ihrem zweitägige­n Treffen in Newport müssen die Staats- und Regierungs­chefs der 28 NATO-Mitgliedss­taaten erst einmal eine angemessen­e Antwort auf die UkraineKri­se geben. Tagelang wurde vor dem Treffen rhetorisch aufgerüste­t. Die Europäisch­e Union erklärte, Russland sei kein strategisc­her Partner mehr. Rasmussen warf Moskau vor, offen in der Ostukraine zu intervenie­ren.

Die NATO will vonWales aus ein klares Signal in Richtung Moskau senden. Fest steht, dass die NATOTruppe­n in Europa in die Lage versetzt werden sollen, schneller auf Krisen zu reagieren. Künftig soll die Einsatzber­eitschaft von mehreren Tausend Soldaten inwenigen Tagen hergestell­t werden können. Zudem will die NATO ihre Aufklärung­ssysteme ausbauen, die Verteidigu­ngs- pläne überarbeit­en und ihre Manöver verstärken.

Nicht einig ist sich das Bündnis bei allem, was darüber hinausgeht. Aus Polen und den baltischen Staaten, die direkt an Russland grenzen, kommt die Forderung nach einer permanente­n Truppenver­stärkung im Osten des NATO-Gebiets. Auch die Aufkündigu­ng des Vertrags von 1997, der das Verhältnis zwischen der NATO und Russland regelt (NATO-Russland-Akte), ist im Gespräch. Deutschlan­d und Frankreich wollen das unbedingt verhindern. Bundeskanz­lerin AngelaMerk­el und Präsident François Hollande sind darauf bedacht, dass in Newport das Säbelrasse­ln nicht zu laut wird.

Kurzfristi­g rückte der Terror des Islamische­n Staats (IS) im Irak und in Syrien auf die Tagesordnu­ng des NATO-Gipfels. US-Präsident Barack Obama will für eine möglichst große internatio­nale Koalition dagegen werben. Einbezogen werden sollen auch Länder außerhalb der NATO, etwa Saudi-Arabien.

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BILD: SN/EPA Wie weiter mit Moskau? Die Europäer müssen sich abstimmen: Bundeskanz­lerin Merkel, Premier Renzi, EU-Außenbeauf­tragte Mogherini.

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