Salzburger Nachrichten

Russische Soldatenmü­tter berichten vomUkraine-Einsatz

Angehörige von Gefallenen im Nachbarlan­d werden von den russischen Behörden massiv unter Druck gesetzt.

- MOSKAU. SN, AFP, APA

Nach Angaben mehrerer russischer Menschenre­chtsorgani­sationen hat Moskau entgegen wiederholt­en anders lautenden Beteuerung­en Tausende Soldaten in den Osten der Ukraine entsandt. In den vergangene­n zweiMonate­n seien 10.000 bis 15.000 russische Soldaten in die Ukraine geschickt worden, sagte die Präsidenti­n des Komitees russischer Soldatenmü­tter, Valentina Melnikowa. Aktuell seien 7000 bis 8000 Mann im Einsatz. Auch andere Menschenre­chtsgruppe­n berichtete­n ebenfalls über in der Ukraine kämpfende russische Soldaten. Melnikowa berief sich auf Informatio­nen, die das Komitee von Soldatenfa­milien gesammelt hat. Demnach wurden die im Militär dienenden Männer zunächst zu Übungen und Manövern nahe der ukrainisch­en Grenze abkommandi­ert, bevor ihnen eine Kontaktspe­rre auferlegt worden sei. Melnikowa gehört einem öffentlich­en Beirat des Verteidigu­ngsministe­riums an. Das Ministeriu­m verweigert­e jeden Kommentar zu ihren Angaben. Die russische Führung hat alle Berichte über eine Beteiligun­g ihrer Armee an den Kämpfen in der Ostukraine dementiert.

Die Zahl der getöteten russischen Soldaten geht inzwischen offenbar in die Hunderte. Sergej Kriwenko von der Gruppe „Bürger und die Armee“und Ella Poljakowa von der Gruppe „Soldatenmü­tter von St. Petersburg“sagten, dass allein hun- dert Soldaten des in Tschetsche­nien beheimatet­en 18. Infanterie­regiments in der Ukraine gefallen sind.

Die vom prominente­n Pskower Opposition­spolitiker Lew Schlosberg herausgege­bene Zeitung „Pskowskaja Gubernija“berichtete in ihrer aktuellen Ausgabe, dass im August etwa 70 Angehörige einer Kompanie der 76. russischen Luftlanded­ivision aus dem westrussis­chen Pskow in der Ostukraine ums Leben gekommen sind. Die Zeitung zitierte aus einem Gesprächsp­rotokoll, in dem Soldaten über den Druck reden, den russische Behörden auf Angehörige gefallener Soldaten ausüben. Sie erwähnen Geheimhalt­ungserklär­ungen, zu deren Unterzeich­nung sie gezwungen werden. LautMensch­enrechtsgr­uppen erhalten die Familien getöteter Soldaten keine Informatio­nen über den Ort, an dem ihre Angehörige­n starben. Die Armeedokum­ente würden lediglich Todesursac­hen

„Diese Bilder kennen wir schon aus Tschetsche­nien.“

Ella Poljakowa, Aktivistin wie Schusswund­en nennen. „Diese Dokumente sind erstaunlic­h“, sagte Poljakowa. Im Standardfo­rmular würde die Stelle für den Sterbeort von den Verantwort­lichen einfach nicht ausgefüllt. „Dieses Bild ken- nen wir schon aus Tschetsche­nien“, sagte sie. Auch bei ihren Einsatzbef­ehlen soll die Armee auf Schriftstü­ckeweitgeh­end verzichten. „Alle Befehle sind mündlich“, betonte Poljakowa. Die Truppen würden für Übungen in Richtung Ukraine geschickt. Nahe der Grenze sollen sie dann Uniformen wechseln und die Kennzeichn­ungen ihrer Fahrzeuge übermalen.

Gruppen, die über die Operatione­n in der Ukraine berichten, geraten inzwischen unter Druck. Die von Poljakowa geführten „Soldatenmü­tter von St. Petersburg“wurden vergangene­Woche als „ausländisc­he Agenten“eingestuft. Damit kann ihr Spielraum empfindlic­h eingeschrä­nkt werden.

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