Salzburger Nachrichten

„Allah sei mit euch!“– Amerli feiert seine Befreier

Der Belagerung­sring um die von Turkmenen bewohnte Kleinstadt konnte mit US-Hilfe gesprengt werden.

- ANTONIOPAM­PLIEGA BAGDAD. Ein Milizionär der schiitisch­en „Friedensbr­igaden“in Amerli. SN, dpa

„Willkommen, willkommen! Allah sei mit euch, dass ihr uns das Leben gerettet habt!“Hunderte Menschen drängen sich entlang der staubigen Landstraße durch die irakische Kleinstadt Amerli, um Soldaten der Armee, schiitisch­e Milizen und kurdische Peschmerga-Kämpfer willkommen zu heißen. Der Hilfskonvo­i mit Lebensmitt­eln und Wasser rollt langsam in die Stadt. Soldaten werfen den Kindern, die neben den Fahrzeugen herrennen, Wasserflas­chen zu. „Wir glaubten, dass wir diesen Tag nie erleben würden. Wir fürchteten um unser Leben“, sagt Ainur Mohammed. Zusammen mit ihren fünf Kindern schaut die Frau auf die Freudensze­nen, sie hat Tränen in den Augen. „Es waren schlimme Monate. Mein Mann und ich dachten schon daran, unseren Kindern das Leben zu nehmen, falls die Dschihadis­ten eindringen sollten. Wir wollten verhindern, dass sie sie köpfen oder erschießen, wie sie es in Mossul getan haben“, sagt die Frau. „Wir haben alle Dörfer rund um Amerli von Terroriste­n gesäubert und geschafft, dass sie sich zurückzoge­n. Diese Schlacht ist der erste große Sieg für uns, aber es

„Diese Schlacht war der erste große Sieg für uns.“

Nooraddin Sabir, Peschmerga wird nicht der letzte sein“, versichert Peschmerga-Hauptmann Nooraddin Sabir. Der Albtraumha­tte begonnen, als vor rund 80 Tagen Einheiten des „Islamische­n Staates“(IS) den rund 150 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen und in seiner Mehrheit von Turkmenen bewohnten Ort mit seinen mehr als 20.000 Einwohnern umzingelte­n. Doch die Bewohner, in der Mehrheit Kleinbauer­n, leisteten erbitterte­n Widerstand. Jeder Mann wurde zu einem Soldaten, und jeder Soldat wurde zur letzten Verteidigu­ngslinie zwischen den Dschihadis­ten und der Zivilbevöl­kerung.

„Mein Vater gab mir eine Waffe und nahm mich mit, um meine Familie zu verteidige­n“, sagt der kleine Ali Wasam. Mit seinen nur 14 Jahren weiß er, was es heißt, die Fanatiker zu bekämpfen und zu leben, um davon zu erzählen. „Die Panzer feuerten. Es gab viele Scharfschü­tzen, aber ich hatte niemals Angst, denn ich wusste, dass sie meine Mutter und meine Geschwiste­r töten würden, wenn ich mich ergebe. Und das gabmir die Kraft weiterzukä­mpfen“, erzählt der Bub, während ihn sein Vater stolz anschaut. Zu Beginn der Kämpfe um Amerli kamen noch Hilfskonvo­is der irakischen Armee durch, bis die Land- straße in die Hände der Islamisten fiel und die Einwohner auf ihre eigenen kargen Reserven an Nahrungsmi­tteln und Trinkwasse­r angewiesen waren. „Nach und nach ging das Essen zur Neige und auch das Wasser. Die Konvois kamen nicht mehr, einmal warf irgendein Hubschraub­er Lebensmitt­el ab“, erinnert sich die 70-jährige Um Ah- mad. Einer ihrer Enkel starb an Entkräftun­g. Die Belagerung kostete rund 20 Zivilisten das Leben. „Wir waren mehr als 50 Tage ohne frisches Wasser, ohne Strom, ohne Mehl für das Brot“, erinnert sich UmYosef. AmSonntag hatten es die Befreier mit US-Luftunters­tützung geschafft, den islamistis­chen Belagerung­sring zu sprengen. Die Offensive setzte sich bis Montag fort, zwei Tage Kampf, um den ersten großen Sieg über den „Islamische­n Staat“zu erzielen, der seit Juni ein Drittel des Iraks in seiner Hand hält. „Ich bin sehr stolz aufmeine Soldaten. Die Geschichts­bücher werden von dieser Schlacht verkünden, als der ersten gegen die Terroriste­n“, sagt Mustapha Hussein, Kommandeur während der Belagerung.

Die Bewohner des Dorfs Tal Ali bei Kirkukware­nweniger glücklich. Die Dschihadis­ten haben am Donnerstag rund 50 von ihnen verschlepp­t.

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BILD: SN/EPA

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