„Allah sei mit euch!“– Amerli feiert seine Befreier
Der Belagerungsring um die von Turkmenen bewohnte Kleinstadt konnte mit US-Hilfe gesprengt werden.
„Willkommen, willkommen! Allah sei mit euch, dass ihr uns das Leben gerettet habt!“Hunderte Menschen drängen sich entlang der staubigen Landstraße durch die irakische Kleinstadt Amerli, um Soldaten der Armee, schiitische Milizen und kurdische Peschmerga-Kämpfer willkommen zu heißen. Der Hilfskonvoi mit Lebensmitteln und Wasser rollt langsam in die Stadt. Soldaten werfen den Kindern, die neben den Fahrzeugen herrennen, Wasserflaschen zu. „Wir glaubten, dass wir diesen Tag nie erleben würden. Wir fürchteten um unser Leben“, sagt Ainur Mohammed. Zusammen mit ihren fünf Kindern schaut die Frau auf die Freudenszenen, sie hat Tränen in den Augen. „Es waren schlimme Monate. Mein Mann und ich dachten schon daran, unseren Kindern das Leben zu nehmen, falls die Dschihadisten eindringen sollten. Wir wollten verhindern, dass sie sie köpfen oder erschießen, wie sie es in Mossul getan haben“, sagt die Frau. „Wir haben alle Dörfer rund um Amerli von Terroristen gesäubert und geschafft, dass sie sich zurückzogen. Diese Schlacht ist der erste große Sieg für uns, aber es
„Diese Schlacht war der erste große Sieg für uns.“
Nooraddin Sabir, Peschmerga wird nicht der letzte sein“, versichert Peschmerga-Hauptmann Nooraddin Sabir. Der Albtraumhatte begonnen, als vor rund 80 Tagen Einheiten des „Islamischen Staates“(IS) den rund 150 Kilometer nördlich von Bagdad gelegenen und in seiner Mehrheit von Turkmenen bewohnten Ort mit seinen mehr als 20.000 Einwohnern umzingelten. Doch die Bewohner, in der Mehrheit Kleinbauern, leisteten erbitterten Widerstand. Jeder Mann wurde zu einem Soldaten, und jeder Soldat wurde zur letzten Verteidigungslinie zwischen den Dschihadisten und der Zivilbevölkerung.
„Mein Vater gab mir eine Waffe und nahm mich mit, um meine Familie zu verteidigen“, sagt der kleine Ali Wasam. Mit seinen nur 14 Jahren weiß er, was es heißt, die Fanatiker zu bekämpfen und zu leben, um davon zu erzählen. „Die Panzer feuerten. Es gab viele Scharfschützen, aber ich hatte niemals Angst, denn ich wusste, dass sie meine Mutter und meine Geschwister töten würden, wenn ich mich ergebe. Und das gabmir die Kraft weiterzukämpfen“, erzählt der Bub, während ihn sein Vater stolz anschaut. Zu Beginn der Kämpfe um Amerli kamen noch Hilfskonvois der irakischen Armee durch, bis die Land- straße in die Hände der Islamisten fiel und die Einwohner auf ihre eigenen kargen Reserven an Nahrungsmitteln und Trinkwasser angewiesen waren. „Nach und nach ging das Essen zur Neige und auch das Wasser. Die Konvois kamen nicht mehr, einmal warf irgendein Hubschrauber Lebensmittel ab“, erinnert sich die 70-jährige Um Ah- mad. Einer ihrer Enkel starb an Entkräftung. Die Belagerung kostete rund 20 Zivilisten das Leben. „Wir waren mehr als 50 Tage ohne frisches Wasser, ohne Strom, ohne Mehl für das Brot“, erinnert sich UmYosef. AmSonntag hatten es die Befreier mit US-Luftunterstützung geschafft, den islamistischen Belagerungsring zu sprengen. Die Offensive setzte sich bis Montag fort, zwei Tage Kampf, um den ersten großen Sieg über den „Islamischen Staat“zu erzielen, der seit Juni ein Drittel des Iraks in seiner Hand hält. „Ich bin sehr stolz aufmeine Soldaten. Die Geschichtsbücher werden von dieser Schlacht verkünden, als der ersten gegen die Terroristen“, sagt Mustapha Hussein, Kommandeur während der Belagerung.
Die Bewohner des Dorfs Tal Ali bei Kirkukwarenweniger glücklich. Die Dschihadisten haben am Donnerstag rund 50 von ihnen verschleppt.