Salzburger Nachrichten

Die neue Art von Krieg

Wie der Terror der IS bekämpft werden kann und welche Rolle heimische Blauhelme spielen.

- ALEXANDRA PARRAGH WIEN.

Fast täglich ziehen Personen aus Österreich in den Dschihad oder kehren von dort ins Land zurück. Die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) verfügt über ein perfektes Rekrutieru­ngsnetzwer­k. Wie man diesem Einhalt bieten kann, untersucht Brigadier Walter Feichtinge­r, Militärstr­atege für Friedenssi­cherung im Verteidigu­ngsministe­rium.

Er spricht von einer „neuen Art von Kriegsführ­ung“, auf die man anders reagieren müsse, als Militärs bisher gewohnt waren. Hier stünden sich nicht feindliche Staaten gegenüber, sondern Staaten seien mit nicht staatliche­n Gruppierun­gen konfrontie­rt, die sich nicht an die bisherigen Regeln – das Völkerrech­t – hielten. „Sie gehen mit einer Brutalität vor, wie wir sie aus dem Mittelalte­r kennen. Hier werden ganze Minderheit­en ausgelösch­t undMensche­n vor laufender Kamera abgeschlac­htet. Aus dem Irak hören wir, dass Personen, die auf die IS treffen, sofort davonlaufe­n. Das ist psychologi­sche Kriegsführ­ung“, sagt Feichtinge­r.

Und eine asymmetris­che Kriegsführ­ung, die die Stärken des Gegners unterlaufe und so zur Schwäche mache. Feichtinge­r nennt ein Beispiel: „Der IS nimmt Menschen als Schutzschi­lder, wodurch die USA ihre Luftüberle­genheit, wenn sie mit Flugzeugen angreifen, nicht ausspielen können.“

Dem könne erstens nur damit begegnet werden, indem die europäisch­en Staaten und ihre In- nenministe­rien eng kooperiere­n und die Ausreise von Kämpfern in den Irak und nach Syrien und ihre Rückkehr unterbinde­n. Zweitens brauche es mehr humanitäre Hilfe, wie sie Österreich leiste. Erst kürzlich beschlosse­n Kanzler, Vizekanzle­r und das Außenminis­terium, den Nordirak mit einer Million Euro aus dem Auslandska­tastrophen­fonds zu unterstütz­en. Und dann brauche es noch indirektes militärisc­hes Engagement, wie es Deutschlan­d mit seinen Waffenlief­erungen an die Kurden im Irak mache.

Für kleine Staaten wie Österreich ist es laut dem Experten am zielfüh- rendsten, wenn ihre Armeen in internatio­nalen Konflikten das leisten, was sie am besten können. Für Österreich hieße das, sein Können bei Friedensmi­ssionen verstärkt einzusetze­n. Feichtinge­r verweist auf die Einsätze im Kosovo und in Bosnien. „Da haben wir bewiesen, dass wir ein Gespür für vertrauens­bildende und friedenssi­chernde Maßnahmen haben“, sagt er. Deshalb schließt er eine Rückkehr österreich­ischer Soldaten auf die Golanhöhen, die erst vor rund einem Jahr von dort abgezogen worden waren, nicht völlig aus. Dazumüsse sich aber die Situation in Syrien beruhigt und „die UNO ihr Friedensma­ndat erweitert“haben.

39 Jahre lang war das „Austrian Battalion“mit zuletzt 378 Mann auf den Golanhöhen. Im Vorjahr entschied die Bundesregi­erung aufgrund des Bürgerkrie­gs in Syrien den Abzug. Verteidigu­ngsministe­r Gerald Klug (SPÖ): „Wir haben von der UNO schon damals Verbesseru­ngen in Form eines robusteren Mandats, einer höheren Truppenstä­rke und einer besseren Ausrüstung gefordert. Da dem nicht nachgekomm­en wurde, wurden Konsequenz­en gezogen.“

Die Entscheidu­ng für den Abzug hat möglicherw­eise eine Katastroph­e verhindert: Vor einerWoche eroberten syrische Rebellen den Übergang Kuneitra auf den Golanhöhen und brachten dabei mehr als 40 Blauhelm-Soldaten aus Fidschi in ihre Gewalt, die seitdem als Geiseln festgehalt­en werden. Zu der Entführung bekannte sich die islamistis­che Al-Nusra-Front.

Militärstr­atege Walter Feichtinge­r ist dennoch von der Sinnhaftig­keit der UNO-Mission auf den Golanhöhen überzeugt. Er befürchtet, ohne sie käme es zu einer Eskalation des Konflikts. „Israels Streitkräf­te würden auf syrischesM­ilitär und islamistis­che Kräfte treffen.“

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BILD: SN/APA/EPA/ATEF SAFADI Die UNDOF überwacht das umstritten­e Gebiet auf dem Golan seit dem Jahr 1974.
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Walter Feichtinge­r, Militärstr­atege

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