Bei Verspätung zählt, wann die Tür aufgeht
Ein Salzburger Fall bringt europaweit Klarheit: Nicht die Landung ist maßgeblich, ob ein Fluggast für Verspätung entschädigt wird.
Wann ist ein FlugpassagieramZiel? Zählt der Zeitpunkt, wenn die Reifen des Flugzeugs auf der Landebahn aufsetzen, oder ist das Erreichen der endgültigen Parkposition vor dem Abfertigungsgebäude maßgeblich? Im Fall von Herrn H., der mit drei Stunden Verspätung nach einem kurzen Flug von Salzburg nach Köln/Bonn aus dem Flugzeug stieg, musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Antwort geben.
Die EU-Richter in Luxemburg entschieden am Donnerstag, dass als „tatsächliche Ankunftszeit“jenerMoment gilt, in dem beim Flugzeug in Parkposition die erste Tür geöffnet wird, damit die Passagiere aussteigen können. Dann erst enden die Beschränkungen, dass Fluggäste den Weisungen des Airlinepersonals in einem geschlossenen Raum unterliegen. Nun stehen dem Passagier für die Verspätung 250 Euro Entschädigung zu, weil er mehr als drei Stunden verspätet an sein Ziel geflogen wurde. Das entspricht der niedrigsten Kategorie nach der EU-Verordnung über Fluggastrechte aus dem Jahr 2004, die bis zu 600 Euro Entschädigung (bei Flügen über 3500 km) vorsieht.
Das Flugzeug der Lufthansa-Billigtochter Germanwings hatte am Freitag, 11. Mai 2012, mit mehr als drei Stunden Verspätung in Salzburg abgehoben, war jedoch nach Angaben der Airline mit „nur“2:58
„Es war wichtig, dass der Begriff der Ankunft einmal geklärt wurde.“
B. Forster, Verbraucherschützerin Stunden Verspätung gelandet. Weitere fünf Minuten dauerte es bis zur Parkposition, einige Minuten später durften die Fluggäste aussteigen.
Der Passagier hatte – wie auch seine Lebensgefährtin – in Salzburg auf Entschädigung geklagt. Germanwings wurde in erster Instanz verurteilt. Nach der Berufung bat das Landesgericht Salzburg den EuGH um seine Rechtsauslegung.
Nun ist für alle europäischen Fluglinien klargestellt, dass eine Verspätung vom geplanten Abflugzeitpunkt bis zum Öffnen der Türen zum Aussteigen berechnet werden muss. Barbara Forster, Juristin im Europäischen Verbraucherschutzzentrum desVereins fürKonsumenteninformation, begrüßte das Urteil: „Diese Klarstellung war wesentlich.“Sie erinnerte daran, dass bis zu einem anderen EuGHUrteil 2009 Fluggäste nur bei ausgefallenen Flügen entschädigt wurden. Bei Verspätungen gab es bis dahin nur Verpflegung oder Betreuung. Es gebe jede Woche mehrere Anfragen zu Fluggastrechten, sagt Forster. Die im Verkehrsministerium eingerichtete Schlichtungsstelle registrierte im Vorjahr 1203 Beschwerden nach Flugverspätungen, davon konnten 98 Prozent einvernehmlich gelöst werden. 2007 waren esweniger als 800 Fälle, der Anstieg seither beträgt rund die Hälfte.
Die heimischen Fluglinien geben keine Zahlen zu Entschädigungen bekannt. Germanwings wollte den Rechtsstreit in letzter Minute aus derWelt schaffen und zog laut Landesgericht amMittwoch seine Berufung zurück – eswar jedoch zu spät.