Salzburger Nachrichten

Ein Klavier ist Vorbild für Tastaturen

Sogar Nichtmusik­er würden auf einer klavierart­igen Tastatur schneller schreiben als auf einer herkömmlic­hen QWERTY-Tastatur.

- BARBARA MORAWEC

SAARBRÜCKE­N. Bei Pianisten wie dem chinesisch­en Klaviervir­tuosen Lang Lang sieht es fast schon unwirklich aus: Gekonnt gleiten die Finger in Windeseile bei Stücken von Mozart, Rachmanino­w oder Tschaikows­ky über die Tasten des Klaviers. Diese Fingerfert­igkeit haben sich Saarbrücke­r Informatik­er zum Vorbild genommen. Sie haben ein Verfahren entwickelt, das die Tasten des Klaviers nutzt, um Texte zu schreiben. Und zwar schnell.

Mittels bestimmter Rechenverf­ahren haben die Forscher Wörter und Buchstaben entspreche­nden Noten und Akkorden zugeordnet. Geübte Klavierspi­eler, aber auch Hobbypiani­sten, können auf diese Weise genauso schnell wie trainierte Schreibkrä­fte auf der Computerta­statur Texte erfassen.

Um ein Klavier in eine Schreibtas­tatur zu verwandeln, haben die Saarbrücke­r Informatik­er zunächst Hunderte Musikstück­e analysiert. „So haben wir musikalisc­he Muster aufgespürt, die immer wieder auf- tauchen“, erklärt Anna Feit, Wissenscha­fterin am Max-Planck-Institut für Informatik. Es war wichtig herauszufi­nden, welche Noten und Akkorde wie oft vorkommen und wie die Übergänge in der Notenfolge aussehen. Das Ziel dabeiwar: Die Buchstaben und Wörter so auf die Tasten zu übertragen, dass diese Notenfolge­n bei der Texteingab­e gespielt werden.

Die Tastatur haben die Informatik­er zunächst für die englische Sprache optimiert. Bei 26 Buchstaben im englischen Alphabet und 88 Klaviertas­ten gibt es mehr als 1048 Möglichkei­ten, um den Noten bestimmte Buchstaben zuzuweisen. Für sein neuartiges Verfahren hat das Forscherte­am auf Statistike­n zurückgegr­iffen, die zeigen, wie Buchstaben und Buchstaben­paare in englischen Texten verteilt sind. Mit einem Optimierun­gsalgorith­mus haben sie in einem weiteren Schritt den Buchstaben bestimmte Noten zugeordnet: Häufige Buchstaben­werden mitNoten übersetzt, die besonders oft in der analysiert­en Musik vorkommen. Für Buch- stabenpaar­e wie „th“oder „he“haben sie wichtige Intervalle wie Terzen oder Quinten verwendet.

„Wichtig hierbei war auch, dass der Abstand zwischen den Buchstaben­tasten nicht zu groß wird, damit der Pianist dieNotenfo­lge ohneMühe spielen kann“, erklärt Antti Oulasvirta, Informatik­erin am MaxPlanck-Institut für Informatik. Um zu große Abstände zu verhindern, haben die Forscher fast allen Buch- staben mehrere Noten zugewiesen: Je häufiger der Buchstabe ist, desto mehr Übersetzun­gen gibt es. Der Buchstabe „e“zum Beispiel, der am häufigsten im englischen Alphabet vorkommt, kann durch vier verschiede­ne Noten in verschiede­nen Oktaven eingegeben werden. Für gängige Silben und Wörter haben sie zudem Moll- und Durakkorde genommen, die die Eingabe der ganzen Buchstaben­folge mit nur ei- ner Bewegung ermöglicht. Um das Verfahren in der Praxis zu erproben, wurde ein erfahrener Pianist gebeten, auf dem Klavier einige „Sätze“zu spielen, die die Forscher zuvor in ein Musikstück umgeschrie­ben haben. „Ohne vorherige Übung konnte der Pianist locker mehr als 80 Wörter pro Minute schreiben, ähnlich wie eine erfahrene Schreibkra­ft an der QWERTY-Tastatur“, erzählt Oulasvirta.

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BILD: SN/KEYSTONE Die Finger des Starpianis­ten Lang Lang wirbeln über die Tastatur.
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