„Straßenschneiderin“flickt gratis alte Kleider
27-Jährige zieht mit Nähmaschine durchs Land und macht halt beim Kunsthandwerksmarkt Radstadt.
Ein Riss in der Jeans, ein Loch im Lieblingshemd, eine gerissene Naht oder ein Knopf, der das Weite gesucht hat. Am Wochenende bietet sich beim traditionellen Kunsthandwerksmarkt in Radstadt die wunderbare Gelegenheit, flickbedürftigen Kleidungsstücken zu einemzweiten Leben zu verhelfen.
Die „Straßenschneiderin“Sarah Kucica repariert in einem der Pagodenzelte auf dem Stadtplatz kostenlos kaputte Textilien der Besucher. Mit ihrerNähmaschine zieht die Vorarlbergerin aus Feldkirch durch die Lande, um ein Zeichen zu setzen. Sie näht an öffentlichen Orten gegen verschwenderischen Textilkonsum, schlechte Arbeitsbedingungen der Näherinnen in Billiglohnländern und die Wegwerfmentalität an. „Nadelfin“nennt Kucica ihre reisende Flickwerkstatt.
Mit ihrem Konzept hat die junge Frau 2013 einen Wettbewerb des Zukunftsbüros derVorarlberger Landesregierung zur Förderung von sinnstiftenden Ideen gewonnen.
„Ich möchte, dass Textilien an Langlebigkeit gewinnen“, sagt die 27-Jährige. Außerdem will sie Freude am Handwerk vermitteln. Kucica hat das Kolleg der Modeschule in Graz absolviert. Während des Studiums hat sie sich intensiv mit den Missständen in der Bekleidungsindustrie auseinandergesetzt.
Während Kucica die Kleidungsstücke repariert, können die Besucher durch die Straßen von Radstadt flanieren und Kunsthandwerk von fast hundert Handwerkern, Designern und Künstlern aus Deutschland und Österreich bewundern.
Lohnend ist ein Besuch am Stand von Jenny und Friedrich Emde aus Karlsruhe. Auch sie haben sich dem Thema Recycling und Upcycling verschrieben. Das Ehepaar fertigt aus wertlos gewordenen Alltagsgegenständen originelle Unikate unter dem Label „2ungrad“. „Wir sind begeisterte Sperrmülljäger“, sagt Friedrich Emde. Eine Spezialität der beiden sind Lampen, die aus alten Kaffeehäferln, Retro-Fassungen und färbigen Textilkabeln hergestellt werden. Omas Geschirr wird außerdem in Kerzenständer oder Wandhalterungen umgewandelt.
Begehrt sind auch die Frotteetaschen aus Waschlappen oder die Notizbücher und Schlüsselbretter aus alten Aktenordnern. „Wir haben vor acht Jahren begonnen, seit drei Jahren können wir auch davon leben“, sagt Friedrich Emde.