Salzburger Nachrichten

Die NATO vertraut auf eine Doppelstra­tegie

Atlantisch­e Allianz setzt ein Signal der Stärke gegenüber Moskau, will aber den Gesprächsf­aden nicht abreißen lassen.

- MICHAEL FISCHER NEWPORT. SN, dpa

NATO-Generalsek­retär Anders Fogh Rasmussen hat sich skeptisch zu der Einigung auf eine Waffenruhe im Ukraine-Konflikt geäußert. „Was jetzt zählt, ist eine klare Umsetzung in guter Absicht“, sagte Rasmussen am Freitag zum Abschluss desNATO-Gipfels imwalisisc­henNewport.

Angela Merkel hält nichts von politische­m Säbelrasse­ln und von martialisc­her Rhetorik. Die kam schon vor dem NATO-Gipfel vor allem aus dem Baltikum. „Russland befindet sich im Grunde in einem Kriegszust­and mit Europa“, erklärte etwa die litauische Präsidenti­n Dalia Grybauskai­tė.

Die deutsche Bundeskanz­lerin ist nach Wales gekommen, um dazu beizutrage­n, dass genau das nicht passiert. Mit der schnellen Eingreif- truppe für Krisensitu­ationen, die am Freitag von der NATO beschlosse­n worden ist, ist sie einverstan­den. Auch mit verstärkte­n Manövern und der Luftraumüb­erwachung über dem Baltikum, an der die Deutsche Bundeswehr seitMontag mit sechs Eurofighte­rn beteiligt ist.

Die Balten und Polen wollen aber weit mehr, eine Aufkündigu­ng der NATO-Russland-Akte von 1997 zum Beispiel. Das würde die Durchtrenn­ung des Gesprächsf­adens nach Moskau bedeuten. Für Merkel kommt das nicht infrage. Härte und Entschloss­enheit zeigen mit Sanktionen, aber gleichzeit­ig offen sein für Gespräche – „diese Doppelstra­tegie ist aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg“, sagtMerkel.

In Newport setzt sich diese Doppelstra­tegie durch. Dies auch deshalb, weil der ukrainisch­e Präsident Petro Poroschenk­o schon am Donnerstag unter den Teilnehmer­n Zuversicht verbreitet­e, dass es bald zu einer Einigung über einen Waffenstil­lstand in der Ostukraine kommen könnte.

Am Freitag ist es so weit: In Minsk wird eine entspreche­nde Vereinbaru­ng getroffen – kurz be- vor der NATO-Gipfel zu Ende geht. Für Merkel endet damit eine der wichtigste­n außenpolit­ischen Wochen ihrer Amtszeit zufriedens­tellend. Begonnen hatte sie am Montag mit einem Ja zuWaffenli­eferungen an die Kurden im Irak für den Kampf gegen die Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS). Merkel hatte zu- vor noch nie eine Entscheidu­ng für einen Eingriff in einen kriegerisc­hen Konflikt getroffen. Das Engagement soll fortgesetz­t werden. Beim NATO-Gipfel schmiedete Deutschlan­d gemeinsam mit zehn weiteren Staaten eine Allianz gegen den IS. Forderunge­n, die über Waffenlief­erungen hinausgehe­n, wurden anMerkel nicht herangetra­gen.

Der polnische Regierungs­chef Donald Tusk hat die Ergebnisse des NATO-Gipfels in Newport als Durchbruch und neue Qualität des Bündnisses bezeichnet. „Das ist ein Signal, dass die Sicherheit­sgarantien derNATO für Polen nicht mehr nur auf dem Papier stehen, sondern zu praktische­n Garantien werden“, sagte er am Freitag in Warschau. Dieses Signal könne „auch unser Nachbar im Osten“– nämlich die Russische Föderation – nicht ignorieren.

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BILD: SN/AP Was kommt jetzt auf die NATO zu? US-Präsident BarackObam­a (r.) und der britische Premiermin­ister David Cameron.

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